Größte Vermeer-Schau der Geschichte ohne Wiener "Malkunst"

Vermeers "Malkunst" bleibt im Kunsthistorischen Museum
Nach einer Empfehlung des österreichischen Kulturministeriums muss die bisher größte Vermeer-Retrospektive auf ein Hauptwerk des holländischen Malers aus dem Kunsthistorischen Museum (KHM) verzichten. Für die Nichtverleihung von "Die Malkunst" nach Amsterdam werden konservatorische Gründe genannt. Manches spricht aber dafür, dass auch hypothetische Schritte der Erben des Ex-Besitzers eine Rolle gespielt haben. 2011 hatte Österreich die Restitution des Bildes abgelehnt.

"Auf Empfehlung des Eigentümers Republik Österreich konnte einem Leihansuchen für das Bild nicht stattgegeben werden", erklärte eine Sprecherin des Kunsthistorischen Museums (KHM) der APA. Konkrete Hintergründe zu dieser Empfehlung sowie zur Weigerung ihres Museum, um eine temporäre Ausfuhrbewilligung anzusuchen, wurden nicht genannt. Nachdem das Bild längere Zeit für den internationalen Leihverkehr zur Verfügung gestellt worden und in London, Madrid, Moskau, Washington und Den Haag zu sehen gewesen sei, seien seit 2005 aus konservatorischen Gründen keine Ansuchen um befristete Ausfuhr mehr gestellt worden, erläuterte ein Sprecher des für Ausfuhrbewilligungen zuständigen Bundesdenkmalamts (BDA). In Medienberichten war freilich 2008 noch die Rede davon gewesen, dass sich das BDA mit Verweis auf die Fragilität des Gemäldes gegen einen Antrag des scheidenden KHM-Direktors Wilfried Seipel aussprach, das Bild nach Tokio zu verleihen. Seipel hatte damals auch beklagt, dass durch den negativen Bescheid ein Verlust von "mindestens 400.000 Euro" für das KHM resultiere.

Die konservatorische Sicherheit des Gemäldes sei grundsätzlich bei allen diesen Fällen der wichtigste Entscheidungsgrund, auch in diesem Fall, heißt es dazu aus dem Ministerium (BMKÖS). "Das KHM hat das BMKÖS darüber hinaus aber um eine rechtliche Einschätzung ersucht, auf die zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht näher eingegangen werden kann", erklärte der Sprecher. Sein Ministerium habe in Rücksprache mit der Finanzprokuratur entschieden, die Verleihung nicht zu empfehlen. Eine Nachfrage zu den Gründen, diese Bundesbehörde zu involvieren, blieb unbeantwortet.

Die Finanzprokuratur, die die Republik in rechtlichen Belangen berät und als ihr Anwalt agiert, verfügt freilich über keine Kompetenz in konservatorischen Fragen. Sie ist aber insbesondere für Restitutionsangelegenheiten zuständig, die gerade im Zusammenhang mit Vermeers Gemälde eine Rolle spielen. 2011 war die damalige Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) einer einstimmigen Empfehlung des Kunstrückgabebeirats gefolgt und hatte den Erben des Vorbesitzers Jaromir Czernin eine Restitution von "Die Malkunst" verweigert.

Der Beirat hatte keine Hinweise dafür gefunden, dass Czernin das Gemälde 1940 unter Zwang an Adolf Hitler verkauft hätte oder er politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Zwischen antisemitischen Anfeindungen gegen Czernins Gattin Alix und dem Verkauf des Vermeers sei keine Kausalität mit dem Verkauf des Bildes zu erkennen gewesen, hieß es im Beiratsbeschluss. Der Anwalt der Erben, Randol Schoenberg, hatte in einer ersten Reaktion damals dem Beirat vorgeworfen, in den Schuhen von Hitler zu stehen und diesen zu verteidigen. Eine Tochter Czernins scheiterte zudem 2015 am Obersten Gerichtshof (OGH) mit ihrer Klage gegen eine Historikerin, die den Verkauf des Gemäldes im Jahr 1940 ähnlich wie der österreichische Kunstrückgabebeirat interpretiert hatte.

Aktuell war auch gegenüber dem Rijksmuseum in Amsterdam keine Rede von rechtlichen Risken eines etwaigen Transfers von "Die Malkunst" ins Ausland. "Unsere geschätzten Kollegen in Wien haben alles gemacht, um die Verleihung möglich zu machen", erklärte ein Museumssprecher der APA. Nach einer genauen Untersuchung des Bilds sei man gemeinsam jedoch zum Schluss gekommen, dass es zu fragil für eine Reise sei. Man unterstütze diese Schlussfolgerung. "Es ist unsere primäre Verantwortung, Kunst für künftige Generation zu erhalten", betonte der Sprecher.

Mit 28 von 37 bekannten Vermeer-Gemälden, darunter zumindest drei zuvor umstrittenen Werken, eröffnet das Rijksmuseum am 10. Februar die bisher größte Werkschau von Jan Vermeer (1632-1675), die international bereits vor Beginn als Jahrhundertschau gefeiert wird. Anders als zu Lebzeiten gilt Vermeer seit seiner Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert er als einer wichtigsten Vertreter des Goldenen Zeitalters der niederländischen Malerei. In Amsterdam rechnet man mit einem großen Ansturm und wird während der bis Anfang Juni laufenden Ausstellung an drei Wochentagen die Öffnungszeiten bis 22 Uhr verlängern. Ein Monat vor der Eröffnung seien bereits 100.000 Eintrittskarten für die Schau verkauft worden, informierte das Museum kürzlich.

In Katalog ist der "Malkunst" trotz Ausstellungs-Absenz ein eigener Aufsatz gewidmet. Sabine Pénot, Kuratorin für flämische und niederländische Malerei am KHM, schreibt dort: "Das Bild, das bis zum Tod des Künstlers in dessen Atelier verblieb, kann somit als Quintessenz von Vermeers Malkunst betrachtet werden und gilt zurecht als sein Hauptwerk." In Wien ist das Gemälde täglich außer Montag von 10 bis 18 Uhr, donnerstags sogar bis 21 Uhr zu sehen.

(S E R V I C E - "Vermeer", Ausstellung im Rijksmuseum Amsterdam, 10. Februar bis 4. Juni, der 320-seitige deutschsprachige Katalog erscheint im Belser Verlag: 59 Euro, ISBN: 978-3-7630-2904-4, https://www.rijksmuseum.nl )

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