APA - Austria Presse Agentur

Günther Groissböck in Staatsoper mit kritischem Unterton

Wie passend, dass Günther Groissböck am Montagabend den Corona-Spielbetrieb der Wiener Staatsoper mit seinem Liederabend eröffnet hat. Schließlich hat sich der Niederösterreicher als einer der wenigen Bässe zum Publikumsliebling hochgearbeitet. Und der 43-Jährige profilierte sich zuletzt als einer der prononciertesten Kritiker gegen die Corona-Beschränkungen und ihre Wirkung auf freie Künstler.

"Sehr bescheiden" sei der Wiederanfang, konstatierte Groissböck zum Auftakt des Abends - schließlich sind auch im gewaltigen Rund der Staatsoper im Juni maximal 100 Besucher erlaubt. Das Haus am Ring hat dabei nicht lange gefackelt und alle Sitze des Parketts ausgebaut, die über die erlaubten 100 hinausgehen - ein "illegales" Umsetzten der Besucher ist somit unmöglich.

Und während Groissböck auf der Bühne von Sagengestalten und Göttern singt, fühlt man sich im derzeitigen Wiener Kulturbetrieb auch als Zuschauer wie Krösus: Am Eingang werden einem Erfrischungen auf die Hände gesprüht (gut, es ist Desinfektionsmittel, aber immerhin), man hat praktisch eine ganze Reihe für sich alleine, freie Sicht auf die Bühne und das Gefühl, die Künstler singen praktisch für einen persönlich (und 99 andere). Jetzt fehlen eigentlich nur noch Getränkehalter.

Dass die derzeitige Situation für die Kulturwelt jedoch alles andere als Spaß ist, macht Groissböck mit seinem Programm deutlich, das er bereits im Mai in Wiesbaden gegeben hatte, als der dortige Intendant Uwe Eric Laufenberg das Hessische Staatstheater als erstes Haus in Deutschland nach den Corona-Sperren wieder öffnete. Und Groissböck bat den ebenso rebellischen Geist nun auch nach Wien, um wie in Wiesbaden zwischen den einzelnen Liederblöcken kritische Texte von Schiller oder Brechts "Lob der Dialektik" mit markanten Sätzen wie "Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt" zu rezitieren.

Groissböck selbst entwirft indes gemeinsam mit seiner Pianistin Alexandra Goloubitskaia vor dem Eisernen Vorhang Mikrodramen aus Franz Schuberts Goethe- und Mayrhofer-Bearbeitungen, aus Carl Loewe und Gustav Mahlers "Des Knaben Wunderhorn". Der 43-Jährige ist dabei gerade in den vergangenen Jahren nochmals gereift. Eine magengrubenerschütternde Tiefe paart sich hier mit einer scharfen, klaren Höhe. Groissböck ist ein vielgesichtiger Sänger geworden, der titanische Partien ebenso wie das Augenzwinkernde beherrscht. Für seine Stimmlage agiert er überraschend leichtgängig, beweglich und vermag doch, das Staatsopernrund zu füllen.

Am Ende steht als Zugabe das Finale der "Walküre". Das lange erwartete szenische Rollendebüt als Wotan, das heuer bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth angesetzt gewesen wäre, entfiel für Groissböck ob der Pandemie. Nun kommt die Staatsoper im April 2021 in den Genuss. Immerhin etwas Gutes.