APA - Austria Presse Agentur

Gurgiser: "Tirol ist Doppelweltmeister im Negativen"

Ungeachtet der verschärften Anti Transit-Politik lässt Transitforum Austria-Tirol-Obmann Fritz Gurgiser kein gutes Haar an der schwarz-grünen Tiroler Landesregierung. "Tirol ist Doppelweltmeister im Negativen: Ausnahmenkaiser in Hinsicht auf das sektorale Lkw-Fahrverbot und Antiverlagerungskaiser der Güter auf die Bahn", übte Gurgiser im APA-Gespräch heftige Kritik.

Auch nach der am Donnerstag angekündigten Verschärfung des sektoralen Lkw-Fahrverbotes mit 1. Jänner 2020 auf der Autobahn bleibe die Verordnung "löchrig wie ein Schweizer Käse", sagte Gurgiser, der dem Transitforum seit 1994 vorsteht. Dass nunmehr Lkw der Euroklasse 6D vom Fahrverbot ausgenommen werden sollen, mache die Regelung erneut "wertlos", so Gurgiser. Es handle sich um denselben "Kapitalfehler", den das Land Tirol schon im Jahr 2016 vor der Verordnung des bestehenden Fahrverbotes begangen habe. "Damals haben sie sich in Brüssel die gesamte Euro 6-Klasse aufschwatzen lassen und diese vom Verbot ausgenommen", so der Transitforum-Obmann. "Das Fahrverbot ist daher ein Nullum", urteilte Gurgiser und legte nach: "Es ist zum Schämen. Und in Bayern, Südtirol und dem Trentino klatschen sie sich begeistert auf die Schenkel oder auf das Lkw-Lenkrad".

Seit dem Jahr 2012, seit der Aufhebung des damaligen Fahrverbotes durch den Europäischen Gerichtshof, habe das Land "sieben Jahre verschlafen", indem man ständig auf die Europäische Kommission geschielt habe - in der "irrigen Annahme", dass diese zuständig sei. "Die Kommission muss man überhaupt nicht fragen. Man braucht auch nicht nach Brüssel fahren, um sich ein Busserl vom Juncker (Jean-Claude, EU-Kommissionspräsident, Anm.) abzuholen. Wenn, dann ist der EuGH die Institution, die irgendwann mal über das Fahrverbot entscheiden wird". Das letzte Mal habe das Höchstgericht das Fahrverbot ja nur deshalb aufgehoben, weil das Land Tirol den "Dauer Tempo-100er" auf der Inntalautobahn wieder aus der Verordnung herausgenommen habe. "Das war ein aufgelegter Elfmeter für den EuGH. Und das alles nur wegen der politischen Todesangst, dass die Autofahrer einen nicht mehr wählen", so Gurgiser.

An "politische Naivität" glaube er indes nicht. Brüssel müsse vielmehr als Ausrede dafür herhalten, dass man das seit Jahrzehnten betriebene "politische Spiel" fortführen könne, obwohl man vieles in der eigenen Hand habe. Er habe jedenfalls fast den Eindruck, dass "Landeshauptmann Platter unbedingt noch die 3 Millionen-Lkw-Grenze überspringen will", meinte Gurgiser in Bezug auf aktuelle Zahlen, wonach zuletzt 2,5 Millionen Lkw im Jahr über den Brenner donnerten.

Auch mit dem von Europarechtsexperten Walter Obwexer angeführten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Ausnahmen vom sektoralen Fahrverbot notwendig mache, kann Gurgiser nichts anfangen. "Ist es denn verhältnismäßig, wenn seit Jahrzehnten die Grenzwerte bei Lärm und Abgasen in unseren Tälern überschritten werden?", fragte er. Die Verkehrssituation sei vergleichbar mit einem "vollen Glas, in das man immer noch Wasser hineinschüttet und sich dann wundert, dass es übergeht".

Dass der Brennerbasistunnel (BBT) nach Fertigstellung ein dringend benötigtes Verlagerungsinstrument für Güter von der Straße auf die Schiene sein wird, glaubte Gurgiser auch nicht. "Verlagerungsmäßig ist er ein Nullum. Er ist für das ja gar nicht konzipiert. Er ist nur ein minimaler Teil einer Hochleistungsstrecke Berlin-Palermo. Aber es gibt in ganz Europa keine Hochleistungsstrecke für Güterverkehr. Es wird nur möglich sein, den Personenverkehr zu beschleunigen", argumentierte der Transitforum-Obmann. Es handle sich lediglich um ein "Verlagerungsinstrument für Steuergeld". Dieselben Verantwortungsträger, die mit Steuergeld die Schienen ausbauen, seien gleichzeitig diejenigen, die zuschauen würden, "wie auf der Straße alles billiger und attraktiver wird". "Ganz Europa setzt auf die Straße", lautete Gurgisers ernüchterndes Urteil. Es fehle der Mut, bestehende nationale und internationale Schutznormen für den alpinen Raum umzusetzen.

In Tirol gehörten sofort alle Euro 6-Lkw-Klassen, ohne Ausnahmen, in das "Sektorale" bzw. Nachtfahrverbot hineingenommen und verordnet. Zudem müssten alle Tiroler Fahrverbote evaluiert, auf ihre Ausnahmen durchleuchtet und dann "rigoros gefasst" werden. "Und es braucht ein vollautomatisiertes Dosiersystem an den Grenzen", wiederholte Gurgiser eine bereits bekannte Forderung. Durch neueste technische Innovationen soll auf die allgemeine Verkehrsüberlastung reagiert werden. Würde all dies umgesetzt, steige der Druck auf die Nachbarstaaten und es komme zu einem Dominoeffekt. Instrumente wie Korridormaut ließen sich dann leichter realisieren.

Kein Extra-Lob hatte Gurgiser indes auch für die verordneten Fahrverbote auf dem niederrangigen Straßennetz übrig. Der Druck aus den Gemeinden bzw. der Bevölkerung sowie durch Transitforum-Vorschläge wie dem vollautomatisierten Dosiersystem sei einfach zu groß geworden. Zudem lobe er nicht jemanden für etwas, der nur das vollzieht, was ihm die Straßenverkehrsordnung verpflichtend vorschreibt - nämlich die Verkehrs- und Versorgungssicherheit zu gewährleisten.