Hamburger Amoktäter schrieb Buch mit quasi-religiösen Thesen

Blumen und Kerzen vor dem Tatort im Stadtteil Groß Borstel
Bei einer waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung des späteren Amoktäters, der am vergangenen Donnerstag sieben Menschen und sich selbst in einer Hamburger Kirche der Zeugen Jehovas erschoss, hat ein von dem Mann kürzlich veröffentlichtes quasi-religiöses Traktat einem Medienbericht zufolge keine Rolle gespielt. Das berichtete die "Zeit" am Dienstag unter Berufung auf eigene Informationen. Das Verbrechen hatte im In- und Ausland Entsetzen ausgelöst.

Die Polizei habe sich zu diesem Zeitpunkt demnach nicht mit dem im Selbstverlag auf einer Internetverkaufsplattform vertriebenen Buch namens "Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan" befasst. Laut Medienberichten breitete der Mann in dem auf Englisch verfassten und rund 300-seitigen Buch eigenen quasi-religiöse Thesen aus. Eine zentrale Rolle spielt demnach der Glaube an eine Wiederkehr von Jesus Christus und ein "tausendjähriges Reich". Der "Zeit" zufolge soll das inzwischen nicht mehr zugängliche Traktat neben zahlreichen antisemitischen Passagen auch die Aussage enthalten, Adolf Hitler sei ein Werkzeug Jesu Christi gewesen.

Der Amokläufer erschoss am Donnerstag in seiner früheren Gemeinde der Zeugen Jehovas in Hamburg mit einer Pistole sieben Menschen, acht weitere Menschen wurden teilweise lebensgefährlich verletzt, bevor er sich selbst tötete. Einsatzkräfte der Polizei stürmten während der Tat das Gebäude, was mutmaßlich weitere Opfer verhinderte.

Nach Ermittlerangaben war der Mann bis vor eineinhalb Jahren selbst Mitglied der Kirchengemeinde im Hamburger Stadtteil Groß Borstel, verließ diese dann allerdings unter bisher nicht abschließend geklärten Umständen. Er war zudem Sportschütze und als solcher legal im Besitz der späteren Tatwaffe.

Im Jänner hatte die Polizei nach eigenen Angaben außerdem einen anonymen Hinweis erhalten, wonach der Mann an einer womöglich bisher nicht behandelten psychischen Erkrankung leide sowie Wut auf religiöse Gruppen und einen früheren Arbeitgeber hege. Demnach reichten die Hinweise für einen Entzug der Erlaubnis zum Waffenbesitz allerdings nicht aus. Eine Kontrolle zur Einhaltung waffenrechtlicher Vorschriften in der Hamburger Wohnung ergab darüber hinaus keine nennenswerten Beanstandungen.

Dem "Zeit"-Bericht zufolge vertritt die Polizei mit Blick auf dessen Buch nach einer ersten Aufarbeitung die Auffassung, dass auch eine Einbeziehung von dessen Inhalt in die waffenrechtliche Überprüfung keine Handhabe gegen den späteren Amokläufer geliefert hätte. Das deutsche Waffengesetz erfordere in seiner aktuellen Fassung "Tatsachen", die eindeutig auf eine nicht mehr gegebene charakterliche oder gesundheitliche Eignung zum Waffenbesitz hinwiesen. Weder das Buch noch der anonyme Hinweis hätten ausgereicht.

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