APA - Austria Presse Agentur

Boris Johnson und Jeremy Corbyn liefern sich heftigen Streit im Fernsehen

In einer TV-Debatte zwischen dem britischen Premierminister Boris Johnson und Oppositionsführer Jeremy Corbyn haben sich die beiden Politiker am Dienstag in Manchester rund vier Wochen vor der Parlamentswahl einen ersten Schlagabtausch geliefert.

 In der von ITV übertragenen Debatte kam es zwischen den beiden Rivalen vor allem bei den Themen Brexit und Gesundheitssystem zu heftigen WortwechselnJohnson bekräftigte sein Wahlversprechen, den Brexit endlich mit 31. Jänner "zu erledigen". Corbyn wiederum warf dem Premier vor, sein Zeitplan sei unrealistisch.

Der Premierminister griff seinen Kontrahenten immer wieder scharf wegen dessen Versprechens eines zweiten Brexit-Referendums an. "Werden Sie für den Verbleib oder den Austritt werben?", fragte Johnson. Die Labour Party will die Briten innerhalb von sechs Monaten in einem Referendum vor die Wahl zwischen einem Brexit mit enger Bindung an die EU und dem Verbleib in der Staatengemeinschaft stellen. Corbyn will sich aber nicht festlegen, ob er für oder gegen den Austritt werben würde. Der Oppositionsführer blieb auch eine klare Antwort schuldig, wie er zu einer zweiten Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands steht.

Corbyn konterte mit dem Vorwurf, Johnson wolle den chronisch unterfinanzierten Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) einem Handelsabkommen mit den USA opfern. Johnson nannte die Vorwürfe "eine absolute Erfindung". Den Plan des Premierministers, die EU am 31. Jänner 2020 mit seinem nachverhandelten Abkommen zu verlassen, bezeichnete Corbyn als "Unsinn". Johnson werde "mindestens sieben Jahre" zum Aushandeln eines Handelsdeals mit Washington brauchen. Auch die Übergangsphase bis Ende 2020 werde nicht ausreichen, um sich auf ein Abkommen über die künftigen Beziehungen mit der EU zu einigen.

Johnson war stark darauf fokussiert, seinen Gegner zu attackieren. Corbyn hingegen versuchte, mit seiner Sozialpolitik zu punkten. Beide Kontrahenten handelten sich zeitweise den Spott des Publikums ein. Corbyn erntete höhnisches Gelächter, als er seinen Vorschlag einer Vier-Tage-Woche verteidigte. Johnson wurde ausgelacht, als er sich als wahrheitsliebend darstellen wollte.

Einen echten Punkt konnte keiner der beiden in der ersten von einer Reihe geplanter TV-Debatten setzen. Nach einer Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov war das Publikum in ungefähr gleiche Teile in der Frage gespalten, wer das Duell für sich entscheiden konnte. Während die meisten Labour-Wähler demnach der Ansicht gewesen seien, dass Corbyn die Debatte gewonnen habe, seien die meisten konservativen Wähler der Meinung gewesen, dass Johnson das Duell für sich entschieden habe, hieß es auf der BBC-Homepage dazu. Für Johnson, der als klarer Favorit in die Auseinandersetzung gegangen war und der in Umfragen deutlich in Führung liegt, dürfte das eine Enttäuschung sein.

Für Aufsehen sorgten während der TV-Debatte auch die Konservativen, die den Namen ihres Kontos im Kurzbotschaftendienst Twitter kurzerhand in "factcheckUK" änderten. Die Aktion brachte der Partei viel Kritik ein: "Keine politische Partei sollte versuchen, sich unter dem Deckmantel unabhängiger Journalisten zu tarnen", sagte Ben de Pear, der Herausgeber von Channel 4 News, der ein eigenes @FactCheck-Profil betreibt.

Twitter warf der Partei vor, die Öffentlichkeit im Wahlkampf getäuscht zu haben. Die Konservativen hätten während des TV-Duells eines ihrer Twitter-Konten geändert, um es wie einen Fakten-Check-Service aussehen zu lassen, erklärte der Kurznachrichtendienst am Mittwoch. Twitter habe aber globale Regeln, die Irreführung verbieten würden. Jeder weitere Versuch, Menschen durch die Bearbeitung von Konten zu täuschen - wie während des TV-Duells geschehen - werde ernste Konsequenzen haben.

Die Pressestelle der Wahlkampf-Kampagne der Konservativen hatte den Namen ihres Twitter-Kontos, dem fast 76.000 Nutzer folgen, während der TV-Debatte in "factcheckUK" geändert und war erst danach wieder zur regulären Bezeichnung "CCHQPress" zurückgekehrt. Über das Konto wurden in dieser Zeit Grafiken gesendet, die Aussagen von Johnson unterstützten und von Labour-Chef Corbyn infrage stellten. Der Chef der Konservativen, James Cleverly, verteidigte das Vorgehen und erklärte, man habe klargestellt, dass es sich um eine Website der Partei gehandelt habe.

Der Ausgang der vorgezogenen Parlamentswahl in Großbritannien am 12. Dezember ist Experten zufolge ungewiss. Laut einer Umfrage von Britain Elects kämen die Tories derzeit auf knapp 38 Prozent der Stimmen, Labour auf gut 28 Prozent. Die Zustimmung für die Brexit Party von Nigel Farage liegt demnach bei knapp neun Prozent. Bisher wird der Wahlkampf vom geplanten EU-Austritt und der Krise im Gesundheitssystem dominiert.