APA - Austria Presse Agentur

Hospiz-Rektor sieht keine Lösung im Nahost-Konflikt

Der Rektor des österreichischen Hospizes in Jerusalem, Markus Bugnyar, sieht keine Lösung im Nahost-Konflikt. "Ein Europäer, der hierher kommt, spricht gerne von einer Zweistaatenlösung, doch das will hier im Land eigentlich niemand", sagte Bugnyar der APA in Jerusalem. Eine dritte Intifada (Palästinenseraufstand) erwartet er nicht. Zur politischen Lage in Israel sagte er, die Israelis "brauchen sicher nicht mich, um zu verstehen, dass die Situation aktuell suboptimal ist".

"Bei dem, was sich hier im Nahostkonflikt in den vergangenen Jahrzehnten aufgestaut hat, stellt sich eher die Frage, worauf man hinarbeiten soll. Man wird am Ende des Tages mit dem zufrieden sein müssen, was man bekommt", sagte Bugnyar auf die Frage nach einer Friedenslösung zwischen Israelis und Palästinensern. Die Situation sei "zerfahren", beide Parteien in einer "Sackgasse gelandet". Der Nahostkonflikt sei "primär ein politischer" und "nur in zweiter Instanz religiös angereichert", betonte er.

Eine dritte Intifada sehe er mangels Ressourcen bei den Palästinensern nicht. "Der israelische Sicherheitsapparat hat in der Hinsicht in den letzten Jahren und Jahrzehnten durchaus ganze Arbeit geleistet, indem es diese Ressourcen und Versorgungswege nun einfach nicht mehr gibt", sagte Bugnyar. Es sei aber möglich, dass es in den nächsten Wochen zu mehr Anschlägen und Gegenmaßnahmen kommen werde. "Wenn ich in der Stadt mit israelischen und palästinensischen Freunden rede, dann ist der Tenor schon, dass da noch mehr folgen wird. Die Gründe dafür sind klar: Zum einen die allgemeine politische Lage rund um die Regierung in Israel und, dass das Ende des Fastenmonats Ramadan in diesem Jahr mit den Pessach-Feiertagen zusammenfallen wird und die wiederum fallen eben in die Zeit des Osterfests", erläuterte er.

Somit könnte Ostern am Ende ganz anders aussehen, als man das heute glaube, sagte Bugnyar. Mit Blick auf die Anschlagsgefahr betonte er zugleich, dass diese auch in London, Paris oder Madrid gegeben sei. "Man muss sich fragen, ob man reist oder zuhause bleibt, denn passieren kann überall etwas", sagte er. Der Unterschied sei, dass es bei U-Bahn-Anschlägen im Westen schon auch gegen die dortigen Personen gehe. "Hier im Land haben wir es aber mit einem Konflikt zu tun, der sich zwischen Israelis und Palästinensern zuträgt und ich, der zu keiner der beiden Gruppen gehört, kann natürlich zu Schaden kommen, wenn ich zur falschen Zeit am falschen Ort bin, aber es geht nicht um mich als Zielgruppe - niemand hat etwas davon, wenn er mich attackieren würde. Wir sind hier kein Feindbild."

Die Zukunft der Pilgerherberge sieht Bugnyar mit Sorge. "Für unsere Existenz wird es entscheidend sein, wie lange so etwas dauert", sagte er mit Blick auf einen möglichen neuen Palästinenseraufstand. In der Zeit der geschlossenen Grenzen wegen der Pandemie habe die Einrichtung inmitten der Altstadt von Jerusalem Israelis beherbergt, später dann etwa amerikanische und britische Gruppen. Das Hospiz mit seinen 45 Gästezimmern habe aktuell eine "solide Auslastung, auch für das Jahr 2023". "Ich mache mir Sorgen rund um die Frage, wer die Menschen sein werden, die wir beherbergen dürfen - also ob wir unserer Aufgabe gerecht werden, primär für österreichische bzw. deutschsprachige Gruppen da zu sein", sagte er mit Blick auf die wirtschaftlichen Probleme und die Teuerung, die auch Israel stark betreffe. Man könne sich nicht den Luxus leisten, auf deutschsprachige Gruppen zu warten, "die am Ende des Tages dann vielleicht gar nicht kommen werden", so Bugnyar. "Wir haben aber einen gewissen Gründungsauftrag und dem wollen wir nachkommen."

Auf Fragen nach der umstrittenen israelischen Rechtsaußen-Regierung äußerte Bugnyar Vertrauen in die Stärke der demokratischen Strukturen des Landes. Doch verwies er auf ein Gespräch mit einem israelischen Freund, "der meinte, dass den israelischen Extremisten so etwas, wie ein Iran in jüdischer Form vorschweben würde". Doch könne er sich "beim besten Willen nicht vorstellen, dass das hier mehrheitsfähig ist", sagte er. "Das Abdrängen von Christen könnte hier, wie ich meine, nie zum Programm einer Regierung werden." Gleichwohl wäre eine solche "Christenverfolgung" nicht nur für ihn selbst eine rote Linie. "Eine staatlich organisierte Christenverfolgung gibt es in dieser Region aber durchaus, nur nicht in Israel", fügte er hinzu. Bugnyar äußerte auch Zweifel, ob die Regierung ihre umstrittenen Gesetzesvorhaben angesichts der Massenproteste wirklich wird umsetzen können. "Es gibt viel Kritik, teils auch von sehr prominenten Institutionen, die meinen, dass es so einfach nicht geht", sagte der Hospizrektor. "Möglicherweise ist die aktuelle israelische Regierung auch gar nicht lange im Amt, auch darüber wird ja spekuliert. Warum sollte ich dann heute schon hyperventilieren!?"

(Das Gespräch führte Lukas Moser/APA)