APA - Austria Presse Agentur

Hubert von Goisern: "Ein Geschenk, wenn dir jemand zuhört"

Hubert von Goisern hat im Laufe seiner Karriere die unterschiedlichsten Projekte realisiert: Von seiner Neudeutung traditioneller Volksmusik über unzählige Reisen mit musikalischen Ergebnissen bis zu seinem Romandebüt "flüchtig". Für den umtriebigen Künstler, der am 17. November 70 Jahre alt wird, ist Wiederholung auch jetzt keine Option. "Für mich wäre es viel schwerer, immer nur dasselbe zu machen, nur weil es die Leute wollen." Was er brauche, sei Adrenalin.

"Wenn ich den Kick nicht habe, dass es auch mit Risiko verbunden ist, dann ist es zu wenig", sagte Von Goisern im APA-Interview. "Verstehen es die Leute, wollen sie es verstehen, kommen sie noch? Ich brauche das." So ist es auch die Neugier, die den als Hubert Achleitner geborenen Musiker bis heute auszeichnet. "Gierig sein auf das Neue, auf das Andere, das ich noch nicht kenne. Das ist auch nie weniger geworden. Mit jeder beantworteten Frage tauchen zehn neue auf." Er verfolgt seine Vorhaben zwar mit Hartnäckigkeit, habe aber auch das Gespür: "Wenn es nur mit Gewalt geht, kommt nichts Gescheites heraus."

Erfolg hat für Von Goisern indes viele verschiedene Facetten. Da ist einerseits die eigene Zufriedenheit, wenn etwas gelingt. "Das ist der erste Schritt des Erfolgs. Aber da gibt es unendlich viele Schritte." Mit den Alpinkatzen und seinem Hit "Koa Hiatamadl" Anfang der 1990er-Jahre standen die großen Stadionkonzerte quasi kurz bevor - und am vorläufigen Höhepunkt seiner Popularität zog sich Von Goisern zurück. "Das hat mich nicht interessiert. Ich wollte lieber schauen, was danach ist. Aber natürlich ist es für einen Künstler, der auch davon lebt, wichtig, dass er Gehör findet. Man will etwas anstoßen und anregen. Passiert das nicht, dann fehlt etwas."

Seine Konzerte verstehe er als Dialog bzw. Austausch mit seinem Publikum. "Ich glaube auch, dass Livemusik die einzig wahre Musik ist - weil sie im Hier und Jetzt passiert." Musik sei letztlich Erinnerung. "Nur weil du dich an die Töne davor erinnerst, ergibt es einen Bogen und der macht eine Melodie. Dieses gemeinsame Erleben zwischen Publikum und Musikern schafft eine Erinnerung an das Ganze." Von seiner Zuhörerschaft will Von Goisern nur Aufmerksamkeit. "Es heißt immer, Applaus ist das Brot des Künstlers. Aber Aufmerksamkeit ist viel, viel wichtiger. Es ist einfach ein Geschenk, wenn dir jemand zuhört."

Auf seinen Reisen habe er verschiedenste Kulturen kennengelernt. Was uns verbindet? "Die Sehnsucht nach Geborgenheit", meinte der Musiker. "Auch die Neugier, selbst wenn die bei manchem außerhalb von seinem Blickfeld aufhört, weil es da eh genug gibt." Nicht vergessen dürfe man Feste, um das Leben zu feiern. "Und dann ist der Schritt zum Singen und Musizieren nicht weit. Dadurch entsteht auch eine Gemeinsamkeit, durch Töne, Gesang und Tanz. Dann werden einzelne Figuren zu einem Organismus."

Verwundert ist Von Goisern nach wie vor angesichts mancher Kritiker, die sich über Aussagen bei Konzerten aufregen - etwa, als er auf der jüngsten Tour Coronaleugner und Impfverweigerer mit dem Stück "Meiner Seel" adressierte. "Deswegen habe ich einen ziemlichen Shitstorm geerntet." Dieser habe ihn auch an die 1990er erinnert, als er den ebenfalls aus Bad Goisern stammenden Jörg Haider und die FPÖ kritisierte. "Mein Fell wird nicht dicker. Es trifft mich total, dieser Hass und diese Dummheit. Da kommt schon der Reflex auf: Vielleicht sollte ich über das Thema nicht mehr reden. Aber dann ist der nächste Gedanke: Wenn ich nicht so sein darf, wie ich bin, dann brauche ich nicht auf die Bühne gehen." Die Leute würden ihn mittlerweile doch kennen. "Aber warum gehen manche zu meinen Konzerten und regen sich dann über Sachen auf, die ich sage? Immer wieder mal wird es in Österreich laut, dass ich nur unterhalten soll - aber nicht mehr", sinnierte Von Goisern, um lachend nachzuschieben. "Aber es nutzt eh nix, wenn sie das wollen."

Ein anderes Thema, das den Künstler durchaus umtreibt, ist die Klimakrise, die er auch auf dem jüngsten Album "Zeiten & Zeichen" in mehreren Stücken verarbeitete. Ob die Menschheit diesbezüglich zu einem Wandel fähig ist? "Ich bin nicht so optimistisch", hielt Von Goisern fest. "Die Katastrophen werden größer werden." Vielleicht werde man mittlerweile erschlagen von Meldungen, "die einen Handlungsbedarf nach sich ziehen sollten, dass wir schon einen Totstellreflex haben. Erst wenn der Leidensdruck groß genug ist, sind wir bereit, irgendetwas zu ändern in unseren Gepflogenheiten." Möglicherweise aber bleibe nur, "uns anzupassen an immer dramatischere Bedingungen".

Im kommenden Jahr ist Hubert von Goisern mit seiner Band wieder live unterwegs und wird Open-Air-Konzerte geben. Fans sollten sich die wohl nicht entgehen lassen. "Ich habe das Gefühl, dass es das letzte Mal ist, wo ich richtig laut werden will", überlegte der Musiker. "Danach werde ich auf jeden Fall eine Pause machen", wobei das Schreiben wohl wieder in den Vordergrund rücken wird. Der Erfolg seines Romandebüts habe ihn zwar eingeschüchtert, "aber jetzt ist der Schreck vorbei", lachte Von Goisern. "Ich habe wieder Lust." Und die Musik? Da wisse er noch nicht, "was daherkommt. Es ist ganz gut, immer wieder mal wegzugehen und nicht dauernd unter Strom zu stehen."

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - www.hubertvongoisern.com)