Impfpflicht stärkt laut ExpertInnen nur Misstrauen der GegnerInnen

Impfpflicht stärkt laut ExpertInnen nur Misstrauen der GegnerInnen
Die Bereitschaft sich impfen zu lassen, hängt sehr stark mit dem Vertrauen der Bevölkerung in Regierung und Gesundheitssystem zusammen.

Eine Impfpflicht sei nicht geeignet, das Vertrauen zu stärken, ganz im Gegenteil verstärke es den Widerstand der Impfgegner nur weiter, darin waren sich internationale Experten aus Ländern mit hohen und sehr niedrigen Impfquoten in Europa bei einer vom Forum Journalismus und Medien (fjum) organisierten Onlinediskussion am Donnerstag einig.

"Wir haben solide Belege aus der Forschung, dass Druck auf Ungeimpften das Vertrauen, dass sie in den Staat haben, senkt und wir wissen wie wichtig das Vertrauen in den Staat ist", warnte der dänische Politikwissenschafter und Regierungsberater Michael Bang Petersen. Zudem habe die Omnikron-Variante die Frage einer Impfpflicht völlig verändert, weil man diese nicht mehr mit der drohenden Gefahr der Ansteckung vulnerablen Personen durch Ungeimpfte und auch nur sehr schwer mit der Belastung der Spitäler rechtfertigen könne, so Petersen.

Die dänische Regierung, die Petersen als Experte berät, hat diese Woche alle Corona-Beschränkungen aufgehoben. Die Impfquote im Land ist mit 81 Prozent eine der höchsten Europas. Grund dafür sei das hohe Vertrauen der Dänen in ihre Regierung, so Petersen. Ursachen für ein derartiges Vertrauen sei geringe Korruption, die wirtschaftliche Situation sowie das Pandemiemanagement. "Basis damit Bürger der Regierung vertrauen, ist aber, dass die Regierung auch den Bürgern vertraut", betonte der dänische Experte.

Das fehlende Vertrauen in Regierung und Institutionen ist auch der Grund, warum die Impfbereitschaft in vielen osteuropäischen Ländern so niedrig ist. In Bulgarien, wo die Impfquote innerhalb der EU am niedrigsten ist und das zugleich eine höchsten Todesraten durch die Corona-Pandemie weltweit verzeichnet, wird dies deutlich, erklärte der bulgarische Politologe Evgenii Dainov. Er verwies auf drei große Defizite in seinem Land: eine sehr schwache demokratische Kultur, in der auch Fakten nicht außer Streit stehen; das Fehlen von Solidarität in der Gesellschaft, welche durch die bis 1989 herrschenden kommunistischen Regime zerstört worden sei; sowie der dramatische Mangel an Vertrauen in die Regierungen.

In Rumänien, dem Land mit der zweitniedrigsten Impfquote in Europa, habe die Regierung bei ihrer politischen Kommunikation "komplett versagt", weil sie unterschätzt habe, wie gering das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und das Gesundheitssystem sei, meinte Oana Popescu Zamfir, Chefin des rumänischen Thinktanks GlobalFocus Center. Eine Impfpflicht einzuführen, sah sie ebenfalls nicht als Lösung für ihr Land: "Das wäre nicht demokratisch und nicht das Ergebnis einer öffentlichen Debatte sondern das Eingeständnis des Scheitern der Regierung und würde das Misstrauen in die Regierung nur noch weiter erhöhen", so Popescu.

In der Slowakei habe sich gezeigt, dass nur 24 Prozent der Slowaken ihrer Regierung vertrauen, aber 29 Prozent würden ihrem persönlichen Umfeld als Informationsquelle in der Corona-Pandemie am meisten vertrauen, in Dänemark waren dies nur drei Prozent, so der Mathematiker Richard Kollar. "Wenn die Menschen ihren Freunden am meisten vertrauen, dann wächst unweigerlich die Polarisierung und dem ist kaum entgegenzuwirken", so Kollar. Der Experte sah hier auch Versäumnisse bei der Europäischen Union, in die das Vertrauen in Osteuropa deutlich höher sei als in die eigene Regierung. "Es hätte geholfen, wenn die EU in diesen Ländern die Impfkampagne unterstützt hätte", so der Forscher.

In Russland wiederum würden selbst die Ärzte nicht dem Impfstoff vertrauen, erklärte Dmitri Dubrowski von der Wirtschaftlichen Hochschule in St. Petersburg. "70 Prozent der Ungeimpften erklären, dass ihnen von ihren Ärzten geraten wurde, sich nicht impfen zu lassen." Der Politikwissenschafter sieht das sowjetische Erbe als Grund dafür, dass viele Russen versuchen würden, sich der staatlichen Kontrolle zu entziehen, indem sie durch Bestechung oder Fälschung Impfzertifikate erschleichen würden.

Eine völlig andere Situation herrscht dagegen in Portugal, wo bereits rund 90 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. "Gerade aufgrund der autoritären Vergangenheit vertrauen die Menschen der Impfung", sagt die portugiesische Journalistin Luisa Meireles. Vor der demokratischen Revolution 1974 sei in Portugal die Kindersterblichkeit sehr hoch gewesen, seitdem hätten die demokratischen Regierung durch Impfungen gegen Kinderkrankheiten die Sterblichkeit deutlich gesenkt.

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