APA - Austria Presse Agentur

In New York City öffneten die Kinos still und leise

Es ist fast ein Jahr her, seit die New Yorker sich zum letzten Mal Popcorn schnappen und sich in ein bevölkertes Kino setzen konnten, um den neuesten Film zu sehen. Am Freitag, zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie im März vergangenen Jahres, durften die Kinos in der Metropole wieder ihre Projektoren anwerfen. Einige Lichtspielhäuser haben tatsächlich geöffnet. "Movie magic" sieht allerdings anders aus.

Ein mulmiges Gefühl stellt sich eingangs ein. Das Café des Angelika Film Center in New York, das die gesamte erste Etage einnimmt, würde an einem gewöhnlichen Freitagabend nur so von Filmfans wimmeln. Heute ist es leer. Hinter der Theke stehen still zwei Angestellte mit Mund- und Nasenschutz. An der Abendkasse sitzt hier niemand. Tickets muss man online kaufen. Wenn man es nicht besser wüsste, dann würde man denken, diese New Yorker Institution ist immer noch geschlossen. Das ist sie aber nicht. Das Angelika ist eines der wenigen New Yorker Kinos, das nach einer einjährigen Zwangspause wieder geöffnet hat - allerdings ganz ohne pompöse Begleitmusik.

Anders wie im einen oder anderen Museum der Stadt wird hier keine Körpertemperatur gemessen. Alle Kinobesucher müssen aber Mund- und Nasenschutz tragen und auf zugewiesenen Plätzen sitzen. Einige Reihen sind mit Schildern markiert: "social distancing - Row unavailable". Eine Kapazität von nur 25 Prozent oder etwa 50 Personen pro Leinwand sind erlaubt.

Im Kinosaal sitzt 15 Minuten vor der Vorstellung von "The Father", einem neuen Drama mit Anthony Hopkins, noch niemand. Vielleicht liegt das an dem schwierigen Thema - Alzheimer -, vielleicht liegt es auch daran, dass die Menschen seit fast einem Jahr Filme von ihrer Couch aus schauen. Langsam tröpfeln Menschen von der Straße herein, aber der große Ansturm bleibt aus. Mehr als 11 Zuschauer werden es nicht. Vor der Filmvorführung murmelt eine nette Dame hinter zwei Masken und einem Gesichtsschutzschild etwas von "Willkommen zurück zur Movie Magic" und liest dann noch einige Informationen zu den neuen Sicherheitsvorkehrungen vor. Sieht so die Magie des Kinos jetzt aus?

Als der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo vor zwei Wochen ankündigte, dass die Kinos in der Metropole unter strengen Auflagen wieder öffnen dürfen, war das natürlich ein Lichtblick für Kinobesitzer, deren Geschäft durch einen kompletten Stillstand zerstört wurde, aber das Öffnen eines Kinos ist nicht so einfach wie das Einschalten einen Projektors. Die Kinos brauchen Zeit, um Mitarbeiter auf der Grundlage neuer Protokolle neu einzustellen und auszubilden. Das geht nicht über Nacht. Für viele mag es sogar finanziell rentabler sein, geschlossen zu bleiben.

Die Kapazitätsgrenze von 25 Prozent ist zu einschränkend, um Geld zu verdienen. "Das ist nur ein totaler Umsatzverlust. Der Aufwand für den Betrieb eines Kinos ist einfach enorm", sagte Harvey Elgart, Inhaber kleinerer New Yorker Kinos gegenüber der "New York Post". "Es ist ein großes Cashflow-Problem mit so wenigen Menschen zu eröffnen. Es geht mir tatsächlich besser, wenn ich geschlossen bleibe."

Wie Harvey Elgart haben auch andere, darunter Cinepolis in Chelsea, Film at Lincoln Center, Anthology Film Archives, Alamo Drafthouse und Metrograph noch keinen Wiedereröffnungstermin bekannt gegeben. Das Filmforum in Greenwich Village plant, seine Tore am 2. April zu öffnen.

Für AMC Theatres, die größte Kinokette in den USA, die im Jänner diesen Jahres noch einmal die Pleite vermeiden konnte, war es realistischer, trotz der kurzen Zeit von zwei Wochen, am 5. März wieder zu eröffnen - pünktlich zum Kinostart von "Raya und der letzte Drache" und "Chaos Walking". Die zweitgrößte, Regal Entertainment, bleibt jedoch bis auf weiteres geschlossen, wohl noch so lange bis mehr Menschen pro Saal erlaubt sind und die Leinwände in Los Angeles wieder hell werden. Die kalifornische Küstenstadt gehört mit New York zu den wichtigsten Märkten in den USA, und so lange die geschlossen sind, bleiben auch die Blockbuster aus.

In Abwesenheit der Kinos hat sich im vergangenen Jahr viel in der Filmlandschaft verändert. Große Hollywood-Studios haben ihre Blockbuster-Starts verschoben oder geben sie direkt für das Streaming frei. Unsere eigenen Gewohnheiten, wie wir Filme schauen, haben sich verändert. Warner Bros. hat seine gesamte 2021er Liste für das Streaming am selben Tag freigegeben, an dem die Filme in die Kinos kommen. Das war bis dato unvorstellbar. Die Zeit wird zeigen, ob die Menschen in die Kinos zurückkehren werden.

Wir haben das Glück in einer Zeit zu leben, in der Tausende von Filmen auf Knopfdruck auf unseren Fernsehern und Computern verfügbar sind. Trotzdem gibt es einige Dinge, die das Heimkino nicht replizieren kann, einschließlich einiger Aspekte des Kinobesuchs, die man bis Anfang März vergangenen Jahres für selbstverständlich hielt: sich in einer riesigen Leinwand verlieren; ein Klang, der den ganzen Raum ausfüllt; einfach mal das Handy für einige Stunden beiseitelegen; sogar das nervige Geschmatze von Popcorn eine Reihe weiter und sogar das laute Rumpeln der New Yorker U-Bahn, über das sich sonst immer alle beschweren.