APA - Austria Presse Agentur

Indiens Gesundheitssystem kommt an seine Grenzen

Angesichts der steigenden Zahl an Corona-Fällen kommt Indiens Gesundheitssystem an seine Grenzen. Bis Ende Juli könnten in der besonders betroffenen Hauptstadt Neu Delhi 80.000 Patientenbetten benötigt werden, schätzte die Stadtverwaltung. Indische Medien berichteten von Infizierten, die starben, weil sie nicht rechtzeitig behandelt wurden.

Aus der Millionenstadt werden mittlerweile täglich mehr als tausend neue Infektionsfälle gemeldet. Nach offiziellen Angaben starben in Neu Delhi bisher 1.200 Menschen an den Folgen einer Coronavirus-Infektion. In ganz Indien wurden inzwischen mehr als 300.000 Infektions- und knapp 9.000 Todesfälle registriert. Experten zweifeln jedoch an den Zahlen und gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.

In Neu Delhi sei die tatsächliche Zahl der Todesopfer doppelt so hoch wie von der Regionalregierung angegeben, äußerten einige Lokalpolitiker. Nach Angaben von Friedhöfen und Krematorien kommen die Mitarbeiter mit den Begräbnissen nicht hinterher. Leichenhallen seien überfüllt.

"Es ist ihnen egal, ob wir leben oder sterben", sagte die 20-jährige Kashish Jain der Nachrichtenagentur AFP. Sie hatte vergeblich versucht, ein freies Krankenhausbett für ihren an Covid-19 erkrankten Vater zu finden. Alle Krankenhäuser weigerten sich, den 45-jährigen Geschäftsmann aufzunehmen, obwohl eine von den Behörden eingerichtete App angab, dass Corona-Betten frei seien, sagte die Familie. Medien berichteten unter anderem auch über den Fall einer Schwangeren, die starb, als sie zwischen Krankenhäusern hin- und hergefahren wurde.

Die Stadtverwaltung kündigte an, zur Not Hotels und Veranstaltungsräume in Krankenhäuser umzubauen, um mehr Platz für Corona-Infizierte zu schaffen. Bis Juli könnten bis zu 80.000 Betten benötigt werden. Gegenwärtig verfügen die staatlichen Krankenhäuser in Neu Delhi über 8.505 ausgewiesene Pandemiebetten, während private Krankenhäuser über 1.441 Betten verfügen.

Der Fernsehsender "Mirror Now" berichtete, dass Krankenhäuser in Neu Delhi Patienten aufforderten, bis zu 5.250 Dollar für eine Behandlung zu zahlen. Der Regierungschef der Region Delhi, Arvind Kejriwal, warf privaten Krankenhäusern vor, unwahre Aussagen über die Zahl verfügbarer Betten zu treffen.

Die indische Regierung hatte Ende März eine Ausgangssperre für das Land mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern verhängt. In den vergangenen Wochen traten trotz steigender Neuinfektionszahlen bereits einige Lockerungen in Kraft. Anfang Juni wurden in Neu Delhi und mehreren anderen Städten Einkaufszentren, Restaurants, Tempel und Moscheen wieder geöffnet.