APA - Austria Presse Agentur

Industrie fordert von Regierung Zuwanderungsstrategie

Die Industriellenvereinigung (IV) fordert von der nächsten Regierung eine Strategie für qualifizierte Zuwanderung und Ausbildung. Dazu sollte ein eigenes Staatssekretariat für Zuwanderung und Integration geschaffen werden, wie es der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bereits einmal innehatte, sagte IV-Präsident Georg Kapsch am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP), Generaldirektor des International Center for Migration Policy Development (ICMPD), präsentierte die Ergebnisse einer im Auftrag der IV erstellten Studie. Demnach macht die Bevölkerungsentwicklung in Österreich bis zum Jahr 2050 qualifizierte Zuwanderung und Ausbildung sowie Erhöhung der Teilnahme am Arbeitsmarkt notwendig für den Wirtschaftsstandort. Österreich habe einen hohen Fachkräftebedarf, die Wirtschaft brauche qualifizierte Arbeitskräfte, sagte Spindelegger.

Angesprochen auf seine Wünsche für die Koalitionsverhandlungen meinte Kapsch, er werde jetzt keine Koalitionsaussage treffen, "aber es muss eine Variante sein, die genau diese Themen unterstützt". Natürlich sei er nicht so blauäugig um zu erwarten, dass die IV-Forderungen zu 100 Prozent umgesetzt werden. Dem IV-Chef und Industriellen geht es um eine Kommunikationsstrategie nach innen und außen: In Österreich müsse man den Menschen die Ängste nehmen und ihnen den Mehrwert qualifizierter Zuwanderung erklären, weil diese nämlich den Wohlstand sichern könne. Nach außen müsse sich Österreich als weltoffenes Land präsentieren, und gleichzeitig klar darlegen, nach welchen Prinzipien hier gelebt werde.

Österreich habe bis zum Jahr 2050 zwar eine vergleichsweise günstige demografische Prognose, aber trotzdem werde die Bevölkerung im Erwerbstätigenalter sinken, erläuterte Spindelegger. Gleichzeitig werde die Gesamtbevölkerung auf 9,7 Millionen Bürger steigen, da das Lebensalter steige. "Es braucht erhöhte Teilnahme am Arbeitsmarkt", so Spindelegger. Die Zahl der offenen Stellen in Österreich wachse ständig: Laut Statistik Austria gab es im Jahr 2018 120.800 offene Stellen, der Fachkräfteradar der Wirtschaftskammer ortet einen Bedarf von rund 162.000 Fachkräften in Österreich.

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen empfiehlt die Studie 14 Handlungsfelder, darunter die Erhöhung der Binnenmobilität innerhalb Europas. Nur vier Prozent der Europäer leben und arbeiten derzeit in einem anderen Land, so Kapsch. Während es in einigen Ländern Arbeitskräftemangel gebe hätten andere Länder hohe Arbeitslosigkeit. Wenn dies etwas ausgeglichener wäre könnte die Wirtschaft dort, wo sie sie brauche, mehr Fachkräfte bekommen. Kapsch spricht sich für Partnerschaften mit anderen Ländern inner- und außerhalb der EU aus, um dort gezielt Leute fachlich und sprachlich auszubilden, die dann in Österreich arbeiten könnten.

Doch auch in Österreich müsse viel getan werden: Die Jugendarbeitslosigkeit sei primär auf ein Versagen des Bildungssystems zurückzuführen, geht der IV-Chef mit dem heimischen Schulsystem hart ins Gericht. Die Wirtschaft übernehme hier zunehmend Aufgaben bei der Ausbildung der Jugendlichen, die das Bildungssystem nicht bewältigt habe. Weiters solle die Erwerbsquote der Frauen erhöht und möglichst viele Frauen zur Technik gebracht werden.

Die Rot-Weiß-Rot-Card für die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten gehöre nicht abgeschafft, aber das Verfahren sollte gestrafft werden, fordert Kapsch. Diesbezüglich gerate Österreich im Vergleich mit der Schweiz ins Hintertreffen. Zu Asylwerbern in Lehre hat Kapsch einen klaren Standpunkt: Es sei unsinnig, Menschen hier auszubilden und dann hinauszuwerfen. Das sei abgesehen von der menschlichen Komponente auch eine wirtschaftlich dumme Vorgangsweise, weil man dann von dem in die Ausbildung investierten Geld nichts mehr habe. "Ich war immer ein Befürworter dass Asylwerber, die hier eine Lehre begonnen haben, diese auch fertig machen können." Grundsätzlich sollte man für so einen Fall das Gesetz adaptieren, nicht das Gesetz umgehen, fordert er eine Neuregelung.

Spindelegger erläuterte ein Projekt des von ihm geleiteten Migrationsinstituts in Nigeria: Dort soll in der Provinz Enugu östlich der Hauptstadt Lagos ein Industriepark von europäischen Unternehmen, ein Ausbildungszentrum und ein Start-up-Center errichtet werden. Bisher wollen fünf österreichische Unternehmen an dem Projekt, für das derzeit Finanzierungsgespräche bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) laufen, teilnehmen.