Iran-Expertin zu Nahost: "Viele rote Linien überschritten"

Irans Religionsführer Ali Khamenei
Im zunehmend eskalierenden Nahost-Konflikt seien "viele rote Linien überschritten worden". Dies meint die iranische Politik- und Frauenrechtsexpertin Diba Mirzaei mit Bezugnahme auf die militärischen Angriffe auf Israel und auf den Iran. Die westlichen Staaten hätten "Israel gewähren lassen", sagte die in Deutschland lebende Mirzaei in Wien gegenüber der APA. Derzeit könne man nichts vorhersagen, doch die zentrale Frage sei das Verhalten Israels.

"Das Völkerrecht wird massiv gebrochen", das Wertesystem sei ins Wanken geraten, werde oft einfach nicht geachtet, resümierte Mirzaei, die am German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg forscht. Man wisse nicht, was von Israel zu erwarten sei, sagte sie unter Verweis auf die Gefährdung der UNIFIL-Truppen in der Region. Israel habe versprochen, keine Atomkraftwerke anzugreifen. Doch schon jetzt flüchteten Menschen aus solchen Regionen. Die Situation sei "unüberschaubar".

Zum Verhalten der iranischen Führung - Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei hatte eine Durchhalteparole ausgegeben - erklärte die Politikexpertin: "Anti-Israel-Politik ist eine Säule der iranischen Politik." Ein direkter Krieg zwischen Israel und dem Iran wäre allerdings ein Novum. Der Iran wolle keinen solchen Krieg, denn "Israel ist überlegen" und habe mächtige Partner auf seiner Seite. Das Regime in Teheran wäre im Falle einer Eskalation selbst gefährdet, so die Analyse der Iran-Expertin.

Zu den Sanktionen, die westliche Staaten gegen den Iran verhängt haben, sagte Mirzaei, zu den diversen Einreiseverboten sei jetzt auch ein Flugverbot für iranische Fluggesellschaften gekommen. Dies könnte allerdings im Ernstfall auch Folgen für Zivilisten haben, die angesichts einer Ausweitung des Krieges flüchten wollten.

Die Sachlage sei derzeit unüberschaubar: "Der Ausgang ist ungewiss", resümierte die gebürtige Iranerin. Das gelte auch für die Zukunft des Iran. Wer der nächste Religionsführer sein werde, wisse man nicht. Eine Militärdiktatur mit mächtigen Revolutionsgarden einerseits, eine gewisse Liberalisierung andererseits? "Alles ist offen", so Diba Mirzaei. Sie hält sich auf Einladung des VIDC (Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation) zu einer Veranstaltung über feministische Außenpolitik in Wien auf.

(Das Gespräch führte Hermine Schreiberhuber/APA)

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