Israel zerstört nach Hamas-Angriff ganze Viertel von Gaza

Israel zerstört in Gegenangriff ganze Viertel von Gaza
Israel hat auf den Großangriff der Hamas mit den heftigsten Angriffen auf den Gazastreifen in dem seit 75 Jahren anhaltenden Nahost-Konflikt reagiert.

In der Stadt Gaza wurden ganze Viertel zerstört. "Hamas wollte eine Veränderung und sie wird eine bekommen", sagte Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant nahe der Sperranlage zu dem Palästinenser-Gebiet. "Was in Gaza war, wird nicht mehr sein." US-Präsident Joe Biden sagte dem Verbündeten die Unterstützung der Supermacht zu. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ermahnte Israel, sich an das Völkerrecht zu halten.

Palästinensische UNO-Gesandte Riyad Mansour: "Nichts weniger als Völkermord"

Der palästinensische Gesandte bei den Vereinten Nationen bezeichnete die israelische Bombardierung des Gazastreifens und die vollständige Blockade der von der radikalen Palästinenserorganisation Hamas kontrollierten palästinensischen Enklave als "nichts weniger als Völkermord". "Diese eklatante Entmenschlichung und die Versuche, ein Volk in die Unterwerfung zu bomben, Hunger als Methode der Kriegsführung einzusetzen und seine nationale Existenz auszulöschen, sind nichts weniger als Völkermord", schreibt der palästinensische UNO-Gesandte Riyad Mansour in einem Brief an den UNO-Sicherheitsrat, den die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte. "Das sind Kriegsverbrechen."

Hamas drohen mit Tötung der Geiseln

Die israelischen Angriffe erfolgten trotz der Drohung der Hamas mit der Tötung von Geiseln, sollte es auf palästinensischer Seite durch Bombardierungen ohne Vorwarnung zu zivilen Opfern kommen. Bis zum Anbruch der Nacht gab es keine Hinweise darauf, dass dies geschehen war. Das palästinensische Gesundheitsministerium berichtete von 900 Toten und 4.600 Verletzten seit Samstag. In der Leichenhalle des Krankenhauses in Khan Yunis wurden die Toten auf den Fußboden gelegt. Die Angehörigen wurden gebeten, die Leichen möglichst schnell abzuholen, da es keinen Platz für sie gebe.

Mehr als 1.200 Tote auf israelischer Seite

Eine offizielle Totenzahl von israelischer Seite nach dem Überraschungsangriff der Hamas am Samstag lag zunächst nicht vor. Der öffentlich-rechtliche Sender Kan berichtete am späten Dienstagabend von bereits 1.200 Toten. Darunter waren 260 Besucher eines Musikfestes, die von der Hamas getötet worden waren.

An der Grenze bargen israelische Soldaten am Dienstag weitere Leichen. Auch in der Stadt Be'eri trugen Freiwillige in gelben Westen Tote aus den Häusern. In Kfar Asa lagen zwischen ausgebrannten Gebäuden die Leichen von israelischen Bewohnern und Hamas-Kämpfern auf den Boden, während Kampfjets über den Kibbutz hinwegdonnerten. "Man sieht die Babys, die Mütter, die Väter, in ihren Schlafzimmern, in ihren Schutzräumen und wie die Terroristen sie getötet haben", sagte ein israelischer Soldat dort. "Es ist kein Krieg, es ist kein Schlachtfeld. Es ist ein Massaker."

Biden verurteile Angriff der Hamas auf Israel

Biden verurteilte in einer Fernsehansprache in scharfen Worten den Angriff der Hamas auf Israel. Das Land habe einen Moment des "reinen unverfälschten Bösen" erlebt, sagte er. Biden sagte weitere Unterstützung zu.

US-Außenminister Antony Blinken will nach dem Großangriff der islamistischen Hamas neben Israel auch Jordanien besuchen. Er werde am Mittwoch aufbrechen, hieß es in einer Mitteilung des US-Außenministeriums am Dienstag. Zuvor hatte ein Sprecher gesagt, dass Blinken am Donnerstag in Israel eintreffen werde. Ziel der Reise in den Nahen Osten sei es, über die Stärkung der Sicherheit Israels zu sprechen und "die unerschütterliche Unterstützung der Vereinigten Staaten für das Recht Israels auf Selbstverteidigung zu unterstreichen".

Die USA haben einen Flugzeugträger in Richtung Israel entsandt. Zudem sprach die US-Regierung nach eigenen Angaben mit israelischen Vertretern über die Möglichkeit, einen sicheren Korridor für Zivilisten im Gazastreifen einzurichten. "Wir konzentrieren uns auf diese Frage", sagte der für die nationale Sicherheit zuständige Sprecher Jake Sullivan.

Israels Armee habe Munition aus amerikanischen Beständen erhalten

Das israelische Militär hat einem Medienbericht zufolge erste Munition aus amerikanischen Beständen erhalten. Ein erstes Transportflugzeug mit "hochentwickelter" amerikanischer Munition sei in der Nacht zum Mittwoch auf dem Luftwaffenstützpunkt Nevatim im Süden Israels gelandet, berichtete die israelische Internet-Zeitung "The Times of Israel". Die Munition ermögliche "bedeutende Angriffe und Vorbereitungen für weitere Szenarien".

In New York demonstrierten am Dienstag Tausende für Israel. Der vorgesehene Platz in Sichtweite des UN-Gebäudes am East River füllte sich am Abend bis zu seiner Kapazitätsgrenze, so dass Hunderte Protestierende - viele von ihnen in den Farben Israels gekleidet und Flaggen tragend - in benachbarten Straßen Manhattans standen. Gouverneurin Kathy Hochul und Bürgermeister Eric Adams nahmen ebenfalls an der Demo teil und hielten Reden. New York hat mit weit über einer Million Menschen die größte jüdische Gemeinschaft der Welt.

Die USA sehen derzeit keine Hinweise auf eine direkte Beteiligung des Iran am Großangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte am Dienstag, Teheran sei zwar bereits seit Jahren ein wichtiger Unterstützer der Hamas. "Aber in diesem konkreten Fall haben wir keinerlei Belege dafür, dass es eine direkte Beteiligung bei der Planung oder Ausführung dieses Angriffs gab."

Im Gazastreifen leben 2,3 Millionen Menschen. Den Vereinten Nationen zufolge sind mehr als 180.000 von ihnen inzwischen obdachlos. Israel hat 300.000 Reservisten einberufen, was Spekulationen über eine Bodenoffensive genährt hat. Zudem hat die Regierung angekündigt, den Gazastreifen komplett abzuriegeln. "Israel hat das Recht, sich zu verteidigen, aber es muss im Einklang mit dem Völkerrecht, dem humanitären Recht stehen", sagte der EU-Außenbeauftragte Borrell. Mit Verweis auf die Abriegelung ergänzte er: "Einige Entscheidungen stehen im Widerspruch zum Völkerrecht."

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