APA - Austria Presse Agentur

Jazzfestival Saalfelden: Viel Bewegung am "Steinernen Meer"

Alles neu macht der August: Das trifft jedenfalls für das Jazzfestival Saalfelden zu, dessen 40. Ausgabe die Pinzgauer Stadt fest im Griff hat. Zum Jubiläum haben sich Intendant Mario Steidl und sein Team viel einfallen lassen, von neuen Bühnen bis zu spontanen Darbietungen. Reichlich Bewegung war also angesagt, obwohl die feierliche Eröffnung Freitagabend im Congress sehr kontemplativ geriet.

Ist das erste Konzert auf der Hauptbühne, seit Jahren traditionell eine Auftragsarbeit für die junge Szene, sonst gerne eine zahlenmäßig ausufernde Angelegenheit, hat Bassist Manu Mayr diesem ungeschriebenen Gesetz ein Schnippchen geschlagen. Unterstützt nur von Susanna Gartmayer an der Bassklarinette, hat er mit "Steinernes Meer" der markante Gebirgskette im Norden Saalfeldens eine Würdigung auf den Leib geschrieben, die trotz der höchst intimen Besetzung auch große Gesten nicht scheute.

Während der Beginn mit zarten Tönen noch eher an glitzernde Tautropfen in der morgendlichen Sonne denken ließ, erkundete das Duo im Laufe des rund 50-minütigen Stücks immer tiefere Gräben und Schluchten, die sich durch die Berge ziehen, stieg an steilen Hängen hinauf Richtung Gipfel, brachte das schroffe, oft unwirtliche, aber auch faszinierende Gelände der Nördlichen Kalkalpen in einen musikalischen Rahmen, der gleichermaßen von Repetition wie plötzlichen Ausbrüchen lebte. Mäandernd durchzog Mayrs markantes Spiel die Komposition, die für beide Instrumentalisten freie Räume bot und sich doch konsequent an den eingeschlagenen Pfad hielt.

Bewegung und Orientierung scheint heuer ohnehin ein wesentliches Thema für das Jazzfestival zu sein: Durch die neu eingerichtete Citystage direkt vor dem Congress, die von einer runderneuerten Gastromeile gesäumt wird, sowie das nahe gelegene, ehemalige Bezirksgericht und den Stadtpark hat sich ein musikalisches Netzwerk gebildet, zwischen dessen Knotenpunkten man schon ab dem frühen Nachmittag hin und her schlendern konnte. Passend deshalb nicht nur die Hinweisschilder, in ihrer Nüchternheit jenen entlang der Wanderwege in den Bergen nachempfunden.

Das Konzept, die ganze Stadt zum klingenden Organismus zu machen, geht jedenfalls auf: Während im Park Alt und Jung auf Liegestühlen oder direkt in der Wiese Platz genommen haben, um sich von DJ-Sounds beschallen zu lassen, wurde vor der Citystage zu den pumpenden Nummern von Fatcat gefeiert und getanzt. Die deutsche Formation um Sänger Kenny Joyner ließ nicht locker, bis auch das letzte Paar Hände in der Luft war, um die fein abgestimmte Mischung aus souligen Vocals und bläserlastiger Forschheit zu beklatschen.

Ganz eng wurde es wenig später bei Maja Osojnik, heuer neben Schlagzeuger Lukas König als Artist in Residence vor Ort: Sie hat einen kleinen Raum im Gericht in Beschlag genommen, der nun mit Teppichboden ausgestattet zum konzentrierten Hinhören lädt. Changierende Lichteffekte und kleine Videoschnipsel setzten optische Reize, während Osojnik auf dem Boden kniend sich an Effektgeräten und CD-Spielern zu schaffen machte. Rauschen traf auf Wohlklang, langsam schälten sich aus lärmenden Passagen Harmonien heraus, während die Musikerin ihre Stimme mittels Loopgerät vervielfachte. Über das ganze Wochenende ist "You need me! Who else will you blame when I am gone." zu erleben, mal nur als Rauminstallation, dann wieder mit Eingriffen der Künstlerin selbst.

Nur wenige Schritte weiter durfte kurz vor 22 Uhr dann auch König ran: Nach einer nachmittäglichen Impro-Session im Park, hatte er nun Gitarrist und Saxofonist Briggan Krauss sowie Bassist Shahzad Ismaily an seiner Seite, um im Trio das Tempo ordentlich anzuziehen. Vom freien Spiel in den zwingenden Groove und wieder zurück lautete die Devise, lag es vor allem an Ismaily, die Wände des Raumes erzittern zu lassen und zog Krauss eine Show ab, die Staunen machte. König selbst stand dem aber in nichts nach und bewies ein weiteres Mal, dass er hierzulande zu den spannendsten Musikern seiner Generation zählt.

Apropos Geschwindigkeit: Die war auch bei Koma Saxo auf der Hauptbühne nicht zu verachten, standen sich hier doch gleich drei Saxofonisten gegenüber, um sich gegenseitig zu Höchstleistungen anzutreiben. In Sachen Komplexität setzte sich allerdings das Quartett Ken Vandermark (Saxofon), Nate Wooley (Trompete), Sylvie Courvoisier (Klavier) und Tom Rainey (Schlagzeug) durch, die als VWCR im Vorjahr ein gemeinsames Album veröffentlicht haben. Wollte man als Hörer mithalten, war volle Konzentration angesagt - trotz durchaus humoristischer Titel wie "The Space between the Teeth".

Bewegung allerorts also, ob auf oder zwischen den Bühnen sowie nicht zuletzt in den Köpfen der Festivalbesucher. Die Öffnung, die schon in den vergangenen Jahren durch die programmatische wie örtliche Ausweitung vorangetrieben wurde, scheint aufzugehen. Bleibt nur zu hoffen, dass das Wetter weiterhin so mitspielt wie am Freitag.