Jeden Tag wurden im Vorjahr 5,8 Hektar Boden versiegelt
"Der Versiegelungsgrad der verbrauchten Böden ist im Vorjahr von rund 40 auf 58 Prozent gestiegen - das ist der Anteil, der endgültig mit Asphalt oder Beton überzogen wird", kritisierte WWF. "Der überbordende Flächenfraß ist einer der größten Treiber der Biodiversitäts- und Klimakrise. Er verstärkt Naturkatastrophen, gefährdet die Gesundheit der Menschen und führt nicht zuletzt zu einem enormen Energieverbrauch", warnte Bodenschutzsprecher beim WWF Österreich, Simon Pories. Der WWF fordert daher eine verbindliche Obergrenze von maximal einem Hektar pro Tag für den Flächenfraß. Greenpeace will, dass der Bodenverbrauch bereits 2025 auf 2,5 und bis 2030 auf maximal einen Hektar pro Tag gesenkt wird. "Österreichs Natur- und Lebensraum schrumpft jeden Tag durch Verbauung. Täglich verlieren wir ein Stück Identität und werden ärmer", kritisierte der Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Hagelversicherung, Kurt Weinberger, in einer Aussendung.
Die Bundesregierung hat sich im Regierungsprogramm verpflichtet, den Bodenverbrauch bis 2030 auf maximal 2,5 Hektar pro Tag zu senken. Das ist ein Bruchteil des derzeitigen Bodenverbrauchs, auch das Umweltbundesamt konstatierte, dass es zu "keiner substanziellen Verringerung des Bodenverbrauchs gekommen ist und weitere Anstrengungen notwendig sind". Im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre waren es 11,3 Hektar täglich, die vor allem für Bautätigkeiten, Verkehr und Betriebsflächen benötigt wurden. Um das Ziel der 2,5 Hektar pro Tag in acht Jahren zu erreichen, "wird derzeit in einem umfangreichen Prozess zwischen Bund, Ländern und Gemeinden intensiv an der Fertigstellung der Bodenstrategie gearbeitet. Raumordnung ist grundsätzlich in Länderkompetenz. Bei der Erstellung einer Bodenstrategie müssen also die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Regionen berücksichtigt werden. Qualität vor Tempo ist hier die Devise", meinte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) im Vorfeld des "Tag des Bodens" am 5. Dezember.
5.800 Quadratkilometer an Boden wurden bis zum Jahr 2021 insgesamt in Österreich beansprucht, rund sieben Prozent der Landesfläche und 18 Prozent des Dauersiedlungsraumes. 36 Quadratkilometer wurden im vergangenen Jahr neu beansprucht (39 Quadratkilometer im Jahr 2020). Im Schnitt der vergangenen drei Jahre lag der Wert bei 41 Quadratkilometer, einer Fläche in etwa der Größe von Eisenstadt, informierte das Umweltbundesamt. Bau- und Betriebsflächen beanspruchen mit Abstand die meiste Fläche auch im Jahr 2021. Während der Bedarf für Bauflächen auf 21 Quadratkilometer gegenüber dem Vorjahr (23 Quadratkilometer) zurückgegangen ist, liegt er dennoch über dem langjährigen Schnitt. Betriebsflächen beanspruchten elf Quadratkilometer an Boden, ähnlich wie im Jahr 2020. Verringert hat sich die Nutzung von Flächen für Erholung und Rohstoff-Abbau sowie für Straßen und Bahn, hieß es in der Aussendung des Umweltbundesamtes.
"Alleine in den vergangenen 25 Jahren wurden 150.000 Hektar Äcker und Wiesen durch Verbauung aus der landwirtschaftlichen Produktion genommen. Das entspricht der Agrarfläche des Bundeslandes Burgenland", rechnete Hagelversicherung-Vorstandsvorsitzender Weinberger vor. Greenpeace konstatierte, dass die Regierung "ihr selbst gestecktes Ziel bis jetzt meilenweit" verfehlt. "Mit dem derzeitigen Verbrauch spielen wir auf Risiko: Damit setzen wir die heimische Artenvielfalt, unsere Ernährungssicherheit und unsere Lebensqualität aufs Spiel", sagte Ursula Bittner, Artenschutz-Expertin bei Greenpeace in Österreich. "Mit unserem Bodenverbrauch sind wir Europas trauriger Spitzenreiter. Kein anderes europäisches Land verliert täglich solch eine Masse an wertvollem Boden. Das sollte uns zu denken geben", meinte Bittner.
Auch das Umweltbundesamt forderte die Nachhaltige Nutzung von Boden. Dafür brauche es ein strategisches Flächenmanagement mit verbindlichen Zielwerten für die Erhaltung produktiver Böden, Bodenfunktionsbewertungen, Wiedernutzung von Leerstand und Brachflächen, Festlegung von Siedlungsgrenzen, die Definition von Vorrangflächen für die landwirtschaftliche Produktion und für Hochwasser-Rückhaltung und den Schutz wichtiger Ökosysteme.
Bodenversiegelung durch Straßen, Parkplätze, Wohn- und Industriebauten zerstören wertvolle Ökosysteme unwiederbringlich, warnte Greenpeace. "Österreich hat das dichteste und längste Straßennetz in Europa - pro Kopf verfügen wir über 15 Meter lange Straßen. Was es braucht ist ein sofortiger Stopp von großen unökologischen Bauprojekten '', forderte Bittner.
Totschnig berichtete von einer positiven Entwicklung beim Humus-Gehalt heimischer Ackerböden. "Für eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion ist ein optimaler Humus-Gehalt im Boden Voraussetzung. Seit Beginn der 1990er-Jahre verzeichnet Österreicheine positive Entwicklung beim Humus-Gehalt heimischer Ackerböden. Dieser Erfolg ist vorwiegend auf Maßnahmen im Österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft zurückzuführen", meinte der Minister. "Die Beratung und die gesetzten Umweltmaßnahmen zur Steigerung der Bodenfruchtbarkeit zeigen in Form der gestiegenen Humus-Gehalte nachweisbare Erfolge in allen Regionen", bestätigte Andreas Baumgarten, Institutsleiter für Bodengesundheit und Bodenschutz in der AGES und Leiter der Geschäftsstelle des Fachbeirates für Bodenfruchtbarkeit und Bodenschutz des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML).
Greenpeace sieht in der konventionellen Landwirtschaft eine Gefahr für die Böden. Die Verwendung von Pestiziden und Düngemitteln zerstören Bodenorganismen wie Tiere, Bakterien und Pilze, die den Boden fruchtbar halten. Der Einsatz schwerer Maschinen und die intensive Nutzung setzen die Böden zusätzlich unter Druck und sorgen für massive Verdichtung. Verdichtete Äcker und Böden können schlechter Wasser aufnehmen, haben ein erhöhtes Erosionspotenzial und werden im schlimmsten Fall unfruchtbar. Durch die Zerstörung der Böden gehe wertvoller Humus verloren. Das ist fatal: Die Neubildung von nur einem Zentimeter Humus dauert 100-200 Jahre, berichtete die NGO.
Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ) forderte in einer Aussendung, dass nach dem Vorbild der Schweiz landwirtschaftliche Vorrangflächen ausgewiesen werden, die nicht für andere Zwecke gewidmet werden dürfen. Zudem sollen Gewerbe-, Einkaufs- und Parkflächen nicht mehr einfach auf der "grünen Wiese" errichtet werden. Bei Gewerbeflächen sollen mehrere Geschoße vorgeschrieben beziehungsweise forciert werden. Gleichzeitig braucht es eine Stärkung und Verdichtung der Orts- und Dorfkerne. Energieflächen für Photovoltaik-Anlagen sollten primär auf Dächern und bereits verbauten Flächen errichtet werden, um die wertvollen Agrarböden für die Lebensmittelproduktion und als Lebensraum zu erhalten. "Wir dürfen den kommenden Generationen nicht ihre Zukunft verbauen", warnte Moosbrugger.
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