APA - Austria Presse Agentur

Johnson fordert von Corbyn klare Position zum Brexit

Der britische Premierminister Boris Johnson hat von Oppositionsführer Jeremy Corbyn eine klare Position zum Brexit gefordert. Bei der bevorstehenden Parlamentswahl am 12. Dezember müssten die Wähler ein "klares Bild" vor Augen haben, heißt es in einem Schreiben Johnsons an Corbyn, das am Dienstag vom Regierungssitz Downing Street veröffentlicht wurde.

Johnson warf Corbyn vor, seit Monaten die Auskunft darüber zu verweigern, welche Art von Abkommen er mit der EU abschließen wolle. "Nun ist der Zeitpunkt gekommen, klarzustellen und zu erläutern, worin Ihr Projekt wirklich besteht", heißt es in dem Schreiben des Premierministers. Das Abkommen, das er mit der EU ausgehandelt habe, sei die einzige Möglichkeit, den Brexit über die Bühne zu bekommen.

Corbyns Labour-Partei hat in der Brexit-Frage eine komplizierte Position. Wenn die Mehrheitsverhältnisse nach der Parlamentswahl dafür reichen, will Labour ein neues Abkommen mit der EU aushandeln und danach eine Volksabstimmung dazu abhalten, bei der die Briten auch für den Verbleib in der EU stimmen sollen können. Das überarbeitete Abkommen soll eine Zollunion mit der EU umfassen.

Wegen des Labour-Wunsches nach nochmaliger Überarbeitung des Brexit-Abkommens warf Johnson Corbyn vor, er wolle offenbar "zum Ausgangspunkt zurückkehren". Corbyn seinerseits legt Johnson zur Last, sein "wirkliches Programm" bestehe darin, an die konservative Doktrin der früheren Premierministerin Margaret Thatcher (1979-90) anzuknüpfen. Johnson verfolge eine "rückwärtsgewandte" Politik, mit der er die Rechte kassieren wolle, die in Generationen des Kampfes für die Arbeitnehmer erstritten wurden, heißt es im Manuskript einer Rede, die Corbyn am Dienstag halten wollte.

Die britische Opposition forderte indes Premierminister Johnson auf, sofort einen Bericht über eine mögliche Einmischung Russlands in das Brexit-Referendum freizugeben. Sie wirft dem Regierungschef vor, das Dokument des Geheimdienstausschusses bis nach der Parlamentswahl am 12. Dezember zurückhalten zu wollen, wie britische Zeitungen am Dienstag berichteten.

Ein Regierungssprecher wies das zurück. Der notwendige Freigabeprozess sei noch nicht abgeschlossen.

Der Ausschussvorsitzende Dominic Grieve sagte, der Bericht könne Informationen enthalten, die für die Wähler "von Belang" sind. Grieve wurde von Johnson aus der Tory-Fraktion ausgeschlossen, weil er sich im Brexit-Streit gegen die Regierung gestellt hatte. Er will als unabhängiger Kandidat bei der nächsten Wahl antreten.

Der frühere Chef des Geheimdiensts MI5, Jonathan Evans, forderte eine Erklärung. "Falls die Regierung einen Grund hat, warum (der Bericht) nicht vor der Wahl veröffentlicht werden soll, dann sollte sie dies sehr deutlich begründen", sagte Evans dem Sender BBC Radio 4 am Dienstag.

Wie die Tageszeitung "Guardian" berichtete, hat Johnson den Bericht bereits am 17. Oktober erhalten. Die Bearbeitung dauere normalerweise nur zehn Tage, sagte Grieve. Downing Street betonte hingegen, für die Freigabe seien rund sechs Wochen nötig.

Der Report sollte eine mögliche Einflussnahme Russlands auf die Volksabstimmung über den Brexit 2016 untersuchen. Mitglieder des Geheimdienstausschusses wollten ursprünglich noch vor der Parlamentswahl Empfehlungen für größere Sicherheitsmaßnahmen gegen externe Einmischung abgeben.