APA - Austria Presse Agentur

Jüdisches Museum zeigt inszenierte Reueakte in Dauerschleife

Kommentarlos aneinandergereihte Entschuldigungen von Staatsoberhäuptern aus aller Welt für staatlich angeordnete oder sanktionierte Verbrechen: Mit der Videoinstallation "Apologies v 2016.2, 2021" von James T. Hong hat die Direktorin des Jüdischen Museums Wien (JMW), Barbara Staudinger, am Mittwoch das erste Projekt ihrer Amtszeit vorgestellt. Es stehe programmatisch dafür, dass sich das JMW künftig mehr in gesellschaftliche Diskurse einmischen wolle, so die Neo-Direktorin.

Die in etwa eineinhalb Stunden dauernde Installation des taiwanesisch-amerikanischen Filmkünstlers Hong startet mit dem damaligen deutschen Bundeskanzler Willi Brandt, der 1970 vor dem Denkmal des Warschauer Gettoaufstandes auf die Knie fiel. "Das war eine Blaupause, auf der weitere Entschuldigungen aufbauen sollten", erklärte Staudinger. Diese Version von "Apologies" endet mit dem einstigen philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte, der sich für seine Aussage entschuldigt, Drogenabhängige ermorden zu wollen, wie es einst Adolf Hitler mit Juden tat. Dazwischen findet sich eine Vielzahl weiterer Staatsoberhäupter, die ihre Entschuldigungen meist vom Blatt ablesen.

"Der Film reflektiert die Ritualhaftigkeit und Ernsthaftigkeit inszenierter Reueakte", sagte Chefkurator Hannes Sulzenbacher. Die Arbeit sei zwar etwas redundant, doch wecke sie Emotionen. Sulzenbacher habe sich etwa bei der Sichtung gefragt: "Um Himmels willen, was ist denn nach 1945 noch an Massakern passiert?" Entschuldigungen von Staatsoberhäuptern seien mittlerweile "komplett phrasenhaft", meinte Staudinger. Anlässlich des Gedenkens an die Novemberpogrome wolle man nun einen Diskurs darüber starten, wie wir erinnern sollen und wollen.

Zu sehen ist die Videoinstallation im 1. Stock des Museums in der Dorotheergasse im sogenannten Extrazimmer. Ausgestattet ist der Raum mit rotem Teppich und Stühlen wie in einer Präsidentschaftskanzlei. Das solle an ein Setting erinnern, welches den Rahmen für eine Entschuldigung eines Staatsoberhaupt darstellen könnte, sagte die JMW-Direktorin. Die Wand ziert ein Zitat von der österreichischen Literaturwissenschafterin und Auschwitz-Überlebenden Ruth Klüger: "Man sagt 'Nie wieder' und dann schauen Sie sich mal all die Massaker an, die inzwischen passiert sind. Es ist absurd zu sagen, es soll nicht wieder passieren."

Zu sehen ist "Apologies" bis 12. Februar 2023. Bis dahin ist auch schon die erste große Ausstellung unter Staudinger eröffnet. "100 Missverständnisse über und unter Juden" startet Ende November.

(S E R V I C E - Videoinstallation "Apologies v 2016.2, 2021" von James T. Hong von 13. Oktober bis 12. Februar 2023 im Jüdischen Museum Wien, Dorotheergasse 11, Wien 1., Geöffnet von Sonntag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr. www.jmw.at)