APA - Austria Presse Agentur

JuristInnen verreißen "Anti-Terror-Paket" der Regierung

Das nach dem Anschlag in Wien von der Regierung geplante "Anti-Terror-Paket" stößt in der Begutachtung, die am Dienstag endet, bei Juristen in seinen zentralen Punkten auf ziemlich viel Kritik.

Bei den strafrechtlichen Änderungen werden sowohl die elektronische Überwachung für Extremisten als auch die Schaffung eines eignen Straftatbestands zu religiösem Extremismus abgelehnt. Richtervereinigung und die Oberstaatsanwaltschaft Wien begrüßen die Ausweitung der gerichtlichen Aufsicht. Die Richter können sich derartige Möglichkeiten auch in anderen Fällen etwa bei massiven Fällen häuslicher Gewalt vorstellen, sie geben aber zu bedenken, dass "damit ein erheblicher zeitlicher Mehraufwand der Gerichte verbunden ist, der zu evaluieren ist".

Die elektronische Überwachung wird als "massiver Eingriff" in das Privatleben und in das Grundrecht auf Datenschutz kritisiert, dessen Notwendigkeit in den Gesetzestexten nicht begründet werde, kritisieren die Richter und verweisen darauf, dass die Untersuchungskommission zum Terroranschlag nicht einen Mangel an Informationen über das (gefährliche) Verhalten des Attentäters nach seiner bedingten Entlassung, sondern einen unzureichenden Umgang mit vorhandenen Informationen und fehlenden Informationsaustausch zwischen Behörden festgestellt hat.

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"Die geplante Überwachungsmöglichkeit gaukelt der Öffentlichkeit zusätzliche Sicherheit durch Unterstützung der polizeilichen Präventionsarbeit vor. Zielführender wäre stattdessen eine adäquate Ausstattung der Sicherheitsbehörden, insbesondere polizeilicher Sondereinheiten, und die regelmäßige Vernetzung im Rahmen der gerichtlichen Aufsicht", so die Richtervereinigung in ihrer Stellungnahme.

Bei der geplanten Schaffung eines neuen Tatbestands sehen die Richter das Problem, dass sich dieser von bereits bestehenden kaum unterscheidet. Ähnliches schreibt auch die Oberstaatsanwaltschaft Wien in ihrer Stellungnahme. Sie habe Bedenken gegen die vorgeschlagene Einführung des neuen Straftatbestandes gegen religiös motivierte extremistische Bewegungen samt Einführung eines neuen Erschwerungsgrundes der religiös-motivierten extremistischen Begehung. Aufgrund der Erfahrungen der Oberstaatsanwaltschaft Wien "besteht keine kriminalpolitische Notwendigkeit für die Einführung des § 247b StGB, weil die von dieser Regelung erfassten Straftaten schon nach geltendem Recht unter die Straftatbestände der §§ 246 (staatsfeindliche Verbindungen) und 247a StGB (staatsfeindliche Bewegung), deren Tatbestandselemente über weite Strecken ident sind, subsumiert werden können."

Außerdem könne die Textierung zum geplanten Paragrafen leicht zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen. Die Oberstaatsanwaltschaft empfiehlt der Regierung daher, die Einführung eines neuen Straftatbestandes zu überdenken. Selbiges gelte auch für die beabsichtigte Einführung des Erschwerungsgrundes der religiös-motivierten extremistischen Begehung. "Auch dafür gibt es keine kriminalpolitische Notwendigkeit, weil die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung und die bereits bestehenden besonderen Erschwerungsgründe in der Praxis ausreichen". Vor der Ausweitung "demonstrativ aufgezählter Erschwerungsgründe" warnt auch die Richtervereinigung, weil das zu einer "zunehmenden Überfrachtung führt".

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Auch der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt sieht beim neuen Straftatbestand "mögliche Abgrenzungsprobleme zu den bereits bestehenden Straftatbeständen wie dem Tatbestand der Staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 StGB und dem Tatbestand der Staatsfeindlichen Bewegung nach § 247a StGB.

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Uni Innsbruck kritisiert ebenfalls die geplante Möglichkeit einer Fußfessel als massiven Eingriff in die persönliche Freiheit einer (bedingt) entlassenen Person. "Die Freiwilligkeit der Maßnahme ist eine Pseudofreiwilligkeit: Wer seine Zustimmung nicht erteilt, wird natürlich nicht bedingt entlassen werden." Das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie sieht überhaupt "keine Notwendigkeit, das bestehende materielle Terrorismusstrafrecht zu verschärfen".