APA - Austria Presse Agentur

Karmeliterdialoge am Holzgerüst in der Wiener Staatsoper

Mit Francis Poulencs "Dialogues des Carmélites" setzte man bei der letzten Spielzeitpremiere auf einen Klassiker des 20. Jahrhunderts, der erstmals in französischer Originalfassung am Haus zu hören war.

Nicht Liebestod und Liebesschmerz, sondern schlicht die Todesangst herrschte am Sonntagabend in der Wiener Staatsoper. Dabei verzichtet die Salzburger Regisseurin Magdalena Fuchsberger bei ihrem Hausdebüt auf eine Interpretation, welche die Sperrigkeit des Stücks abmildert.

Im Zentrum steht die Todesangst

Schließlich sperrt sich das 1957 uraufgeführte Werk Poulencs gegen das Meiste, was gängige Opernhits ausmacht: Weder geht es um erotische Liebe, Heldentum oder sonstige Emotionen aus dem Kanon des Musiktheaters. Im Zentrum steht vielmehr die Todesangst, wegen der die adelige Blanche (Rollendebütantin Nicole Car zeigt sich hier mit schnörkelloser Stimme) ins Kloster eintritt. Doch auch dort wird sie wieder von der Welt eingeholt: Während der Französischen Revolution wird das Karmel-Kloster wegen antirevolutionärer Ausrichtung geräumt, und die fliehende Blanche muss zusehen, wie ihre Schwestern zum Tode verurteilt werden.

 

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Poulenc hat eine Frauenoper geschrieben, in der den Männern lediglich Nebenrollen bleiben. Es geht um Härte, Standhaftigkeit und die Emanzipation von einer paternalen Männergellschaft. Fuchsberger und ihre Bühnenbildnerin Monika Biegler setzen dieses Hochamt der Märtyrerrolle in ein auf der Drehbühne montiertes Holzgerüst. Dieser Wald aus Stelen fungiert als Herzkammer des Glaubens, ist Labyrinth und Höhle gleichermaßen, Irrgarten und Schutzraum in einem.

In den Klostermauern ohne Mauern ermöglichen durchlässige Räume Parallelaktionen, die den klaustrophobischen Fokus des Stücks auf die titelgebenden Dialoge der Nonnen weitet, die ohne Hauben als säkulare Frauen gezeichnet sind. Zugleich hat das ganze Konstrukt wenig Eleganz, macht eine stringente Lichtsetzung ob des permanenten Schattenwurfs schwierig. Auch wird der mächtige Höhepunkt mit der Hinrichtung der Frauen am Ende beinahe nüchtern gezeichnet. Aber an Christi Kirche wird eben noch gebaut.

Klug gezimmert ist indes das Klangkonstrukt, das Poulenc-Experte Bertrand de Billy im Graben aufbaut. Der französische Dirigent, der das Stück etwa auch schon im Theater an der Wien 2008 interpretierte, weiß klug den Wechsel zwischen den puccini-haften Passagen und den Ausbrüchen des Werks zu gestalten.

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"Dialogues des Carmélites" stellt Metapher eines Epochenbruchs dar

Am Ende stand einhelliger Applaus für alle Beteiligten, ungeachtet des bei aller eingängigen Musik ein wenig aus der Zeit gefallenen Themas der Glaubensexegese. Zugleich stellt "Dialogues des Carmélites" die Metapher eines Epochenbruchs dar. Und vielleicht ist es just das, was als Parallele zum Heute das Stück fest im Repertoire etabliert hat.

"Dialogues des Carmélites" von Francis Poulenc an der Staatsoper, Opernring 2, 1010 Wien.

  • Musikalische Leitung: Bertrand de Billy
  • Inszenierung: Magdalena Fuchsberger
  • Bühne: Monika Biegler
  • Kostüme: Valentin Köhler

Mit Blanche - Nicole Car, Le Chevalier - Bernard Richter, Madame de Croissy - Michaela Schuster, Madame Lidoine - Maria Motolygina, Mère Marie - Eve-Maud Hubeaux, Le Marquis de la Force - Michael Kraus, Soeur Constance - Maria Nazarova, Mutter Jeanne - Monika Bohinec, Schwester Mathilde - Alma Neuhaus, Beichtvater des Karmel - Thomas Ebenstein, 1. Kommissar - Andrea Giovannini, 2. Kommissar - Jusung Gabriel Park, Offizier - Jack Lee, Kerkermeister - Clemens Unterreiner.

Weitere Aufführungen am 24., 27. und 30. Mai sowie am 2. Juni. Die Vorstellung am 24. Mai wird ab 19 Uhr auf der Streamingplattform der Staatsoper (play.wiener-staatsoper.at) ausgestrahlt, Ö1 sendet indes am 27. Mai ab 19 Uhr. www.wiener-staatsoper.at