APA - Austria Presse Agentur

"Katja Kabanova" in Graz: Stimmstarkes Scheitern am Begehren

Das Zerbrechen an der Unvereinbarkeit von gesellschaftlichen Anforderungen und der eigenen Sehnsucht zeigt Leoš Janáček mit facettenreicher Musik in "Katja Kabanova", der Geschichte einer Frau, die keinen Ausweg als den Tod im Wasser sieht. In der Grazer Oper hat Regisseurin Anika Rutkofsky die an sich schon trübe Geschichte durch ein trostloses Ambiente und eine verlotterte Gesellschaft weiter gesteigert. Glanzvoll erklang bei der Premiere am Samstag dagegen die Musik.

Die Bühne zeigt eine schlichte Halle auf einem höheren Sockel, der erahnen lässt, dass sich darunter ein aufgelassenes Schwimmbad befindet (Bühne: Eleni Konstantatou, Kostüme: Marie Sturminger). Die grünen Kacheln und die Metallleiter sind noch zu sehen, darüber wurde der Raum mit ein paar Ikonen ausgestattet und dient offenbar als Kirche. Die Regisseurin stellt Katjas unerfülltes Begehren, ihre erotischen Träume und unbewussten Wünsche in den Mittelpunkt und baut darum herum eine nicht unbedingt subtile Inszenierung. Das reicht von Vorhängen, die zur Vulva drapiert und beleuchtet sind bis zur Darstellung aller möglichen sexuellen Spielarten während sich Katja mit ihrem Liebhaber trifft.

Dikoj, mit dem sich Katjas Schwiegermutter vergnügt, wurde hier zum Popen, der heimliche Geliebte Boris zum Novizen. Tichon, der Ehemann der Titelheldin, hat eine Schwäche für den Kirchendiener und küsst diesen ganz glücklich, nachdem seine Frau sich selbst getötet hat. Oder von der Menge mit dem Gebetbuch erschlagen wird, je nachdem, wie man diese Szene interpretieren möchten. Anschließend wird Boris von der wütenden Meute getötet. Begehren und Lust werden zwar von allen hier ausgelebt, nur offen zur Schau gestellt werden darf Ehebruch nicht, sonst greift die Gesellschaft sanktionierend ein.

Durch die schrillen Überzeichnungen gewinnt die Aufführung nicht unbedingt an Tiefenschärfe, sondern zersplittert an einigen Stellen in Einzelaktionen. Zusammengehalten wird der Abend durch die umsichtige Stabführung von Chefdirigent Roland Kluttig, der die Musik temperamentvoll durchmisst, zwischendurch aber auch schmerzlich-lyrische Passagen hörbar auskostet, die von den Grazer Philharmonikern farbenreich umgesetzt werden.

Katja wird als sehnsuchtsvolle Frau gezeigt, die sich schwertut, einfach zu genießen und daneben den schönen Schein zu wahren, sie kann sich selbst nicht vergeben, aber auch von ihrer Sehnsucht nicht lassen. Marjukka Tepponen gibt dieser Figur mit viel Ausdruck Profil und schwingt ihren zunächst etwas eng klingender Sopran zu freien, weitgefassten Tönen auf. Als hartherzige Kabanicha überzeugte Iris Vermillon, die unter der Kälte Sinnlichkeit auflodern lässt. Matthias Koziorowski gestaltet einen stimmstarken, aber charakterschwachen Ehemann Tichon, während Arnold Rutkowski (Boris) leuchtende Töne und falsche Schwüre produziert. Ein heller Gegenpart - auch stimmlich - zu Katja ist Mareike Jankowski als Varwara, die mit ihrem Geliebten (Mario Lerchenberger) in ein anderes Leben entflieht. Wilfried Zelinka als sinnesfreudiger Pope rundet das ansprechende Ensemble ab.

(S E R V I C E - "Katja Kabanova" von Leoš Janáček in der Grazer Oper. Musikalische Leitung: Roland Kluttig, Inszenierung: Anika Rutkofsky, Bühne: Eleni Konstantatou, Kostüme: Marie Sturminger. Mit: Marjukka Tepponen (Katja), Matthias Koziorowski (Tichon), Arnold Rutkowski (Boris), Iris Vermillion (Kabanicha), Wilfried Zelinka (Dikoj), Mario Lerchenberger (Kudrjasch), Mareike Jankowski (Varvara), Martin Fournier (Kuligin), Corina Koller (Glascha), Andzelika Wisniewska (Fekluscha), Ivan Orescanin (Passant), Daiana Aksamit (Frau aus dem Volk). Weitere Vorstellungen: 23., 29.3., 14., 16., 19., 21., 29.4., 12. und 14.5. https://oper-graz.buehnen-graz.com/)