APA - Austria Presse Agentur

Kaup-Hasler über "Degradierung" der Kultur irritiert

Über die "Degradierung" des Kulturressorts zu einem Staatssekretariat irritiert, doch über die inhaltliche "Orientierung" an ihr wichtigen Themen wie Valorisierung und Fairpay zufrieden, zeigt sich Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) in Bezug auf die Vorhaben der neuen Bundesregierung im Bereich Kunst und Kultur. Sie freue sich auf eine gute Zusammenarbeit, sagt sie im APA-Interview.

Dabei setze sie vor allem auf die Achse Werner Kogler, Ulrike Lunacek und Eva Blimlinger, so Kaup-Hasler. "Ich weiß aus erster Hand, nämlich von seinen regelmäßigen Besuchen beim steirischen herbst, dass Kogler dem zeitgenössischen Kulturleben gegenüber aufgeschlossen ist", so die Ex-herbst-Intendantin über den ressortzuständigen Vizekanzler. "Kogler wird hoffentlich ein anständiges Budget für seine Agenden herausverhandeln und gut daran tun, Kunst und Kultur besser zu dotieren. Das ist überfällig. Hier sind viele Dinge nachzuholen. Dass der Bund lediglich 0,6 Prozent des BIP für Kunst und Kultur ausgibt, ist einfach ein Skandal." Lunacek kenne sie noch nicht persönlich, diese habe aber einen exzellenten Ruf als seriöse, integre EU-Politikerin. Und Blimlinger habe ihre Handschrift im Kulturprogramm hinterlassen und werde hoffentlich nicht nur als Kulturausschuss-Vorsitzende, sondern auch sonst ihre Expertise einbringen.

Dies werde hoffentlich die erste Irritation vergessen machen: "Ich schließe mich zunächst der Mehrheit der Vertreter der Kunst- und Kulturszene in diesem Land an, die das auf einer symbolischen Ebene als Degradierung empfinden. Das muss es aber nicht sein, wenn man adäquate Mittel bereitstellt. Man muss also den handelnden Personen erst einmal Zeit geben und sollte sie an ihrer Arbeit bewerten." Das Kulturkapitel des Regierungsprogramms sei eine Mischung aus teilweise sehr konkreten Vorschlägen und unklaren Formulierungen, die in der politischen Arbeit erst mit Leben erfüllt werden müssten. Ihre eigene Arbeit in Wien, bei der sie Initiativen für eine bessere soziale Lage der Kulturschaffenden gesetzt und dafür auch Mittelerhöhungen erreicht habe, sei offenbar auch bei den Regierungsverhandlern registriert worden. "Ich freue mich, wenn der Bund hier Zeichen setzt, dem Wiener Beispiel zu folgen. Diese Zeichen sind aber wenig wert, wenn sie nicht mit einem adäquaten Budget ausstaffiert werden. Sonst sind das nur Lippenbekenntnisse."

Überhaupt setze sie sehr auf gute künftige sachpolitische Zusammenarbeit. "Die Voraussetzungen dafür sind gut." Das betreffe auch das Volkstheater, von dem sie sich weiter eine Erhöhung der jährlichen Bundessubventionen um "mindestens eine Million Euro" erwartet. "Das ist längst fällig. Volkstheater, Theater in der Josefstadt, Theater der Jugend - alle drei Theater sind unterdotiert und finanziell falsch strukturiert. Ich arbeite daran, eine andere Art der Finanzierung aufzustellen." Dazu zählt auch ein neuer Kollektivvertrag für die im Wiener Bühnenverein organisierten Häuser. "Ich agiere hier als Brückenbauerin. Vor Weihnachten hatte ich die Betriebsräte dieser Theater, die kaufmännischen Theaterleitungen und die Gewerkschaften zu einem Gespräch eingeladen. Wir haben uns geeinigt, gemeinsam einen Prozess zu starten, der noch in diesem Jahr den Kollektivvertrag um Absurditäten bereinigt, damit eine neue zeitgemäße Arbeitsbasis entstehen kann."

In mehreren Punkten des Regierungsprogramms wird Wien oder die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden explizit erwähnt. Beim Volkskundemuseum, das strukturell auf eine neue Basis gestellt werden soll, ist das Wiener Kulturressort derzeit nicht involviert. "Ich bin gerne bereit, an einer Bereinigung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten mitzuwirken. Man muss sich aber auch gleichzeitig ansehen, was Wien eigentlich für den Bund leistet - von der Viennale bis zum Filmmuseum. Wie ist es zu argumentieren, dass der Bund bei den Salzburger Festspielen und den Bregenzer Festspielen mitfinanziert, bei den Wiener Festwochen jedoch nicht?"

Das zu errichtende Film Preservation Center könne gerne in Wien angesiedelt werden. "Ich stehe dem offen gegenüber, es ist aber ein bundesweites Anliegen." Dass das Haus der Geschichte Österreich gar keine Erwähnung im Regierungsprogramm gefunden hat, hält Kaup-Hasler für eine "Leerstelle als symbolischen Akt", die Formulierung "Keine Verpflichtung zur 'wenn, dann-Förderung': 'Wenn Land, dann..." für höchst irritierend: "Es geht für so viele Menschen um viel zu viel, als dass einem so eine flapsige, verunsichernde Formulierung passieren hätte dürfen. Das kann man nämlich auch als Möglichkeit und Entschuldigung lesen, sich aus bestimmten Verpflichtungen zu verabschieden." Doch wirklich zählen werde die konkrete Arbeit der nächsten Jahre: "Diese lediglich sieben Seiten von 326 Seiten Regierungsprogramm sind ja nicht die Bibel."

Die Frage, ob sie im Hinblick auf die im Herbst anstehenden Wien-Wahlen nicht einen möglichen Kuschel-Kurs zwischen den Grünen, in Wien Koalitionspartner der SPÖ, und der ÖVP, fürchten müsse, entlockt Kaup-Hasler ein Schmunzeln: "Vom Kopftuchverbot bis zur Sicherungshaft strotzt dieses Regierungsprogramm von Reibungspunkten. Kuscheln sieht für mich anders aus. Als Staatsbürgerin wünsche ich mir natürlich eine gut funktionierende Regierung. Denn das Wohl dieses Landes muss im Vordergrund stehen." Im Übrigen starte sie "mit großer Freude" ins neue Arbeitsjahr. "Vieles ist in Bewegung." Aber nicht alles. Im Falle des kürzlich geschlossenen privaten Bellaria-Kinos werde es etwa kein spezielles Engagement ihres Ressorts geben: "Natürlich freut es mich sehr, wenn das Bellaria als Kino weiter betrieben werden kann. Und wie ich höre, gibt es einige Interessenten. Es braucht aber auch finanzierbare und tragfähige Konzepte. Ich sehe die Stadt Wien hier nicht in der Pflicht." Falls eine Initiative aus der Kinobetreiber-Szene den Standort künftig als Arthouse-Kino betreiben wolle, werde es dafür jedenfalls 24.000 Euro jährlich geben, die für so einen Fall vorgesehen seien.