APA - Austria Presse Agentur

"Keiner will Museen leeren": Tagung zu Raubkunst aus Afrika

"Habt keine Angst! Niemand will die Museen ausleeren!" Mit diesem Statement rief der kamerunische Historiker und Politologe Achille Mbembe, der an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg lehrt und den französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Fragen der Restitutions- und Afrikapolitik berät, heimische Museen am Mittwoch zum Dialog über die Restitution von im kolonialen Kontext geraubten Kunstwerken auf. Bis Freitag findet dazu ein internationales Symposium statt.

Unter dem Titel "3RRR - Kitong-Kiass" sind in der CEU - Central European University und in der AFRIEUROTEXT Buchhandlung in der Lasallestraße in Wien-Leopoldstadt ab heute, Mittwoch, zahlreiche Vorträge und Diskussionen programmiert. 3RRR steht für "Restitution - Rehabilitation - Reconciliation" (Rückgabe - Rehabilitation - Versöhnung), "Kitong-Kiass" bedeutet in der kamerunischen Yangben-Sprache "Unser Erbe, unsere Erinnerung". Bei der Pressekonferenz zum Auftakt des Symposiums kritisierte Mbembe: "Die afrikanische Diaspora spielt in vielen Ländern eine Schlüsselrolle in der Diskussion zwischen Museen und Politik. Es würde so gut tun, das auch in Österreich zu sehen. Zusammen können wir etwas schaffen, von dem alle profitieren."

Versuche, Jonathan Fine als Direktor des Weltmuseums Wien sowie weitere Direktoren der Bundesmuseen zur Teilnahme am Symposium zu bewegen, sind laut Organisator Daniel Bitouh (Gründer und Leiter von AFRIEUROTEXT) gescheitert. Während das Weltmuseum auf parallel stattfindende Sitzungen des Anfang des Jahres gegründeten Gremiums für den Umgang mit kolonialen Objekten in den Bundesmuseen verwiesen habe, habe man von anderen Häusern wie dem KHM, dem MAK, dem NHM oder dem Technischen Museum überhaupt keine Antwort erhalten.

"Es geht nicht nur um die Rückgabe von Objekten", unterstrich Mbembe, der als Schirmherr des Symposiums auftritt und heute Abend einen Vortrag hält. "Es geht auch darum, wie wir einen Neustart der Beziehungen zueinander schaffen können", so einer der führenden Vertreter der postkolonialen Theorie und Autor von Büchern wie "Kritik der schwarzen Vernunft" und "Ausgang aus der langen Nacht". In einer stark fragmentierten Welt, die von zahlreichen Krisen erschüttert wird, gehe es darum, "Beziehungen zu reparieren, um es uns allen möglich zu machen, diese Erde auch in Zukunft gemeinsam zu bewohnen".

Der Kolonialismus habe nicht nur materielle Reichtümer geraubt, sondern auch "immaterielle Ressourcen, die Basis für unsere Beziehung zur Natur, unseren Vorfahren und anderen Gesellschaften waren", so Mbembe. "Es geht auch um unsere Würde und unser Vermögen, Dinge zu erschaffen." Nehme man Menschen die Möglichkeit, auf eigenen Beinen zu stehen und in ihrer eigenen Stimme zu sprechen, mache man sie klein.

Im Rahmen eines Dialogs solle es darum gehen, gemeinsame Lösungen jenseits der Differenzen zu finden. Zahlreiche Länder wie Frankreich, Belgien oder Deutschland hätten bereits damit begonnen. Die Ausrede, Österreich sei keine Kolonialmacht gewesen oder die Objekte würden in Afrika nicht sachgerecht in Museen präsentiert, könne nicht gelten. Schließlich seien zahlreiche Kunstwerke und auch menschliche Überreste hierzulande in die Museen gelangt. "Die Objekte haben eine doppelte Geschichte. Jene, wo sie hergestellt wurden, aber auch jene des Ortes, wo sie so lange zu sehen waren." Es sei jedoch irritierend, dass viele Menschen, deren Vorfahren diese Werke geschaffen haben, diese noch nie zu Gesicht bekommen hätten.

Die Praxis, die afrikanische Diaspora in diesen Fragen auszuschließen, verurteilt Mbembe: "Jeder sollte gehört werden! Niemand soll für jemand anderen sprechen! Österreich muss diese Denkweise ablegen - sie führt nirgendwohin." Auch Daniel Bitouh bezeichnete die bisherige Debatte als "Einbahnstraße" und wünscht sich "ein echtes produktives Miteinander, um die Komplexität der Restitutionsfrage zu entwirren" und plädiert "für einen Neuanfang zwischen Österreich und den afrikanischen Ländern".

Auch er unterstreicht: "Die Museen müssen sich nicht fürchten! Im afrikanischen Sinne müssen sie aber ein Reinigungsritual durchleben. Es gibt kein Zurück mehr für die Museen. Es reicht nicht, einfach den Namen zu ändern." Das Symposium sieht er als Möglichkeit zum Empowerment. "Wir möchten für uns selbst sprechen", so Bitouh. "Organisieren wir das gemeinsam auf Augenhöhe!"