APA - Austria Presse Agentur

Ukraine feiert russischen Rückzug aus Region Charkiw

Der von Moskau bekannt gegebene Truppenrückzug aus dem ostukrainischen Gebiet Charkiw ist in Kiew mit Genugtuung aufgenommen worden.

"Besatzer haben in der Ukraine keinen Platz und werden keinen haben", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Videoansprache in der Nacht auf Sonntag. Selenskyjs Angaben zufolge haben die Ukrainer in den vergangenen zehn Tagen rund 2.000 Quadratkilometer zurückerobert, was der Hälfte der Fläche des Burgenlands entspricht.

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In der nach der Millionenstadt Charkiw benannten Region hatte die ukrainische Armee die russischen Besatzer bis Samstag massiv zurückgedrängt. So wurde mit Kupjansk der wichtigste Eisenbahnknotenpunkt eingenommen, wodurch die Nachschublinien aus Russland nach Südwesten gekappt wurden. Wenig später konnten die Ukrainer auch die strategisch bedeutende Stadt Isjum unter ihre Kontrolle bringen. Von dort aus werden weite Teile des Donbass beherrscht. Isjum war Anfang April von den Besatzern eingenommen und zur Bastion mit tausenden Soldaten ausgebaut worden.

Russland unter Druck

Der Rückzug wurde vom Verteidigungsministerium in Moskau am Samstagnachmittag verkündet. Offiziell wurde er damit begründet, dass durch die Umgruppierung Einheiten im angrenzenden Gebiet Donezk verstärkt werden sollen. Viele Militärexperten gehen jedoch davon aus, dass die Russen angesichts des massiven ukrainischen Vorstoßes im Charkiwer Gebiet zuletzt so stark unter Druck geraten sind, dass sie sich zur Flucht entschieden haben.

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Zugleich gab es am Samstagabend Berichte, wonach die ukrainischen Truppen auch in die beiden Donbass-Gebiete Luhansk und Donezk vorgerückt sein sollen. So soll etwa der Flughafen von Donezk eingenommen worden sein. Der Militärgouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, berichtete, die eigenen Truppen seien bereits an den Stadtrand von Lyssytschansk vorgestoßen. Lyssytschansk war im Juli nach wochenlangen Kämpfen als letzte größere Stadt des Gebietes Luhansk von der russischen Armee erobert worden. Vor dem Ende Februar von Russland begonnenen Einmarsch in die Ukraine hatte die Industriestadt knapp 100.000 Einwohner.

Der Chef der prorussischen Separatisten in der selbsternannten "Volksrepublik" Donezk, Denis Puschilin, sprach von einer "schwierigen Lage". Die Situation in der Stadt Lyman sei "ziemlich schwierig, ebenso wie in einer Reihe anderer Orte im Norden der 'Volksrepublik'", sagte Puschilin in einem auf dem Online-Dienst Telegram veröffentlichten Video.

Nach der Bekanntgabe des Rückzugs riefen die russischen Besatzer alle Bewohner der bisher unter ihrer Kontrolle stehenden Orte in Charkiw zur Flucht auf. "Ich empfehle nochmals allen Bewohnern der Region Charkiw, das Gebiet zum Schutz ihres Lebens und ihrer Gesundheit zu verlassen", sagte der Chef der von Russland eingesetzten Militärverwaltung, Witali Gantschew, laut der Agentur Tass. "Jetzt in seinem Haus zu bleiben, ist gefährlich."

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Deutschland soll helfen

Mit Blick auf weitere Rückeroberungsversuche drängt die Ukraine Deutschland zur Lieferung von Kampfpanzern. "Wir sehen keine Hindernisse dafür", sagte Außenminister Dmytro Kuleba am Samstag nach einem Treffen mit seiner deutschen Kollegin Annalena Baerbock in Kiew. Bis sich Berlin dazu entschließe, solle Deutschland weiter Artilleriemunition liefern. "Das erhöht spürbar unsere Offensivmöglichkeiten und das hilft uns bei der Befreiung neuer Gebiete", sagte der Chefdiplomat.

Baerbock reagierte zurückhaltend auf die ukrainische Forderung. "Wir liefern ja seit längerem bereits schwere Waffen. Und wir sehen, dass diese schweren Waffen auch einen Unterschied mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine machen", betonte sie. Konkret nannte Baerbock Mehrfachraketenwerfer, Panzerhaubitzen und Flakpanzer vom Typ Gepard. Von letzteren werde Deutschland schnellstmöglich zehn weitere liefern. Die Außenministerin sagte zudem schweres Gerät zum Aufbau von Brücken und Winterausrüstung zu.