APA - Austria Presse Agentur

Klimawandel ließ Alpenmurmeltiere genetisch "verarmen"

Das Erbgut des Alpenmurmeltiers hat ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung entschlüsselt. Demnach weisen die Nager die geringste genetische Diversität aller bisher sequenzierter wildlebender Säugetiere auf. Der Grund dafür dürfte in der Anpassung der Tiere an die Klimaveränderungen der letzten großen Eiszeit sein, berichten die Forscher im Fachjournal "Current Biology".

Dass sich das Erbgut der einzelnen Tiere sehr ähnelt, kam für die Wissenschafter überraschend, "da genetische Verarmung vor allem bei sehr bedrohten Tierarten, wie beispielsweise dem Berggorilla, zu finden ist", erklärte der Südtiroler Biologe Markus Ralser, Leiter des Instituts für Biochemie der Charite in Berlin in einer Aussendung. Doch die Alpenmurmeltiere (Marmota marmota) gelten nicht als bedroht, Hunderttausende von ihnen leben jenseits der Baumgrenze im Gebirge.

Auf der Suche nach einer Erklärung für die geringe genetische Vielfalt rekonstruierten die Forscher die genetische Vergangenheit der Tiere anhand der Analysen des Genoms sowie von Fossilien. Ihr Schluss: Das Alpenmurmeltier verlor seine genetische Vielfalt, weil es sich mehrfach an Klimaveränderungen der letzten großen Eiszeit anpassen musste - zum einen bei der Besiedlung der eiszeitlichen Steppe vor etwa 110.000 Jahren, zum anderen beim Verschwinden dieses Lebensraums gegen Ende der Eiszeit vor etwa 10.000 bis 15.000 Jahren. Seither leben die Tiere in der höher gelegenen Steppe der Hochalpen, wo die Temperaturen jenen der eiszeitlichen Steppe ähneln.

Bei der Analyse fanden die Wissenschafter, darunter Johanna Gostner von der Medizinischen Universität Innsbruck, Hinweise darauf, dass die Anpassung an die kälteren Temperaturen der eiszeitlichen Steppe zu einer Verlangsamung der Generationszeit der Murmeltiere und einer Abnahme ihrer Mutationsrate führte. Das Genom der Nager weise eine außergewöhnlich langsame Evolutionsgeschwindigkeit auf, weshalb die Tiere nach Ende der Eiszeit keine wesentliche neue genetische Diversität mehr aufbauen konnten.

Deshalb ist es für Ralser "erstaunlich, dass es das Alpenmurmeltier trotz seiner genetischen Armut geschafft hat, über Tausende von Jahren zu bestehen." Denn eine geringe genetische Vielfalt bedeute eine höhere Anfälligkeit etwa für Krankheiten und geringere Anpassungsfähigkeit an Umweltveränderungen wie den Wandel des Klimas.

Dass Klimaveränderungen derart langfristige Auswirkungen auf die genetische Vielfalt einer Art haben können, sei in dieser Deutlichkeit noch nicht bekannt gewesen. Da die geringe genetische Diversität ein Aussterberisiko darstellt, halten es die Forscher für wichtig, auch andere Tierarten, die die Eiszeit überlebt haben, genauer zu untersuchen. Denn diese könnten sich in einer ähnlichen genetischen Verarmungssituation befinden. "Im Moment schätzt man die Gefährdung einer Art meist nur an der Anzahl der Tiere, die sich fortpflanzen können, ab. Dies als alleiniges Kriterium heranzuziehen, sollten wir überdenken", erklärte Ralser.