Klimts "Bildnis Fräulein Lieser" vor Auktion ausgestellt
Das 140 mal 80 cm große Bild, das aus 1917 und somit aus dem Spätwerk des 1918 verstorbenen weltberühmten Künstlers stammt (Schätzpreis 30 bis 50 Mio. Euro) und am Dienstagabend von den Im-Kinsky-Geschäftsführern Michael Kovacek und Ernst Ploil höchstselbst im Rahmen eines exklusiven Empfangs noch einmal vorgestellt wurde, zeigt eine junge Frau in strenger frontaler Haltung vor rotem Hintergrund, wobei um ihre Schultern ein mit reichlich Blumendekor ausgestatteter Schal liegt. Was den Verkaufserlös betrifft, hielt Kovacek bei der erstmaligen Präsentation am 25. Jänner eine Summe von bis zu 70 Mio. Euro durchaus für "denkbar".
Um das Gemälde gewissermaßen international zu bewerben, wurde es in den vergangenen Wochen auf Reisen geschickt und etwa in London, Zürich und Hongkong gezeigt. Wie viel Geld das Porträt auch immer einspielen wird - fest steht, dass der Erlös auf Basis einer Vereinbarung nach den sogenannten "Washington Principles" und damit unter mehreren möglichen Rechtsnachfolgern aufgeteilt wird.
Denn es gibt veritable Lücken im Zusammenhang mit der Provenienz des Bildes. Die jetzigen Besitzer hätten es vor etwa zwei Jahren von entfernten Verwandten geerbt, davor war es wiederum über mehrere Generationen vererbt worden, hieß es, wobei sich die Fäden hier in der Vergangenheit verlieren. Zwischen 1925 und den 1960ern-Jahren ist sein genaues Schicksal ungeklärt - und damit auch der Verbleib während der Naziherrschaft. Das Auktionshaus betonte, dass trotz intensiver Recherche keinerlei Beweise dafür aufgetaucht seien, "dass das Werk vor oder während des Zweiten Weltkriegs geraubt, gestohlen oder sonst wie rechtswidrig entzogen worden ist".
Eng mit der Eigentümerhistorie verknüpft ist freilich die ebenfalls nicht eindeutig geklärte Frage, wen Klimt hier eigentlich gemalt hat. Bisher war in Fachkreisen davon ausgegangen worden, dass Klimt die achtzehnjährige Constance Margarethe Lieser, Tochter von Adolf Lieser, porträtiert habe. Die Brüder Adolf und Justus Lieser zählten zu den führenden Großindustriellen der österreichisch-ungarischen Monarchie. Recherchen des Auktionshauses hätten allerdings auch eine andere Möglichkeit zutage gefördert. Demnach komme auch die Schwägerin von Adolf - die oft "Lilly" genannte Henriette Amalie Lieser-Landau, die 1905 von Justus Lieser geschieden wurde - als Auftraggeberin in Frage. Folglich könnte das porträtierte "Fräulein Lieser" auch eine der beiden Töchter Lillys sein: die 1898 geborene Helene oder die drei Jahre später zur Welt gekommene Annie. Diese haben nach Kriegsende - ihre Mutter wurde 1942 deportiert und ermordet - zwar die Restitution von Vermögenswerten durchgesetzt, allerdings den betreffenden Klimt nie erwähnt oder gar zurückgefordert.
Diese Unklarheiten und historischen Lücken hätten die gegenwärtigen Eigentümer dazu veranlasst, sich mit den Rechtsnachfolgern in Verbindung zu setzen und im Sinn der "Washington Principles" eine Vereinbarung zu treffen. "Über den Inhalt dieses Übereinkommens ist Stillschweigen vereinbar worden", heißt es im Auktionskatalog, "aber so viel kann bekanntgegeben werden, dass mit Versteigerung des Kunstwerks und Bezahlung des Meistbots sämtliche denkbaren Ansprüche aller Beteiligten abgegolten und erfüllt sein werden". Das bedeute, dass es juristisch einerlei sei, "wer das Gemälde bei Gustav Klimt in Auftrag gegeben hat und welche der drei in Betracht kommenden jungen Damen auf ihm abgebildet ist".
Versteigert wird am 24. April nicht nur das "Bildnis Fräulein Lieser", sondern auch eineinhalb Dutzend weiterer Werke aus der Zeit der Wiener Moderne. Darunter befinden sich etwa zwei Gemälde Egon Schieles ("Gertrude Schiele sitzend", 1910; "Kniender weiblicher Akt", 1914;), Koloman Mosers Entwurf für das Engelsfenster in der Otto-Wagner-Kirche am Steinhof und mehrere Aktskizzen Klimts etwa zum Beethovenfries. Und auch eine Studie für das "Bildnis Fräulein Lieser" kommt unter den Hammer.
(S E R V I C E - Auktionskatalog "The Gustav Klimt Sale": https://imkinsky.com/online-katalog/146/771/7)
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