APA - Austria Presse Agentur

Kölner Architekt Gottfried Böhm 101-jährig gestorben

Der Kölner Architekt Gottfried Böhm ist im Alter von 101 Jahren gestorben. Das bestätigte sein Büro am Donnerstag. Böhm wurde durch spektakuläre Kirchenbauten wie den Pilgerdom in Neviges bei Düsseldorf berühmt. Er galt als einer der gefragtesten Architekten der Nachkriegszeit und hat mehr als 50 Sakralbauten geschaffen.

Böhm, der in Offenbach geboren wurde und in Köln aufwuchs, war der Sohn des Architekten Dominikus Böhm (1880-1955). Dieser machte sich einen Namen als Kirchenbauer, und der Sohn trat in seine Fußstapfen. Gottfried Böhms zerklüftete Beton-Wallfahrtskirche in Neviges polarisierte seit ihrer Eröffnung 1968. Sie erhielt bald den Beinamen "Gottesgebirge" und kann heute als sein Hauptwerk gelten.

Man erklimmt die Kirche über einen ansteigenden Pfad wie bei der Wanderung zum Gipfel. Dann tritt man durch eine Felsspalte und wähnt sich zunächst in einer Höhle. Durch eine Fensternische fällt wunderschönes rotes Licht herein - man fühlt sich wie in einer anderen Welt, dem Irdischen entrückt. Verzaubert. "Das ist einfach eine geniale Architektur", urteilte die ehemalige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner. "Und der Bau hat auch Würde. Das find' ich für Sakralarchitektur ganz wichtig." Schock-Werners Fazit: "Böhm gehört ganz sicher zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts weltweit."

Gottfried Böhm schuf mehr als 50 sakrale Bauten. Nicht alle sind so wuchtig wie Neviges, er konnte auch ganz leichte, helle Räume schaffen. Ein Beispiel dafür ist die Klosterkirche Zu Unserer Lieben Frau in Oberhausen, die im Inneren an das Bundeszelt aus dem Alten Testament erinnert: ein transportables Heiligtum, das das Volk Israel nach seiner Befreiung aus Ägypten auf dem Weg durch die Wüste immer wieder neu aufbauen könnte.

Böhms bedeutendster Profanbau ist das Rathaus von Bensberg bei Köln. Auch wieder ein Berg aus Beton, den Böhm hier brutal auf die Reste einer mittelalterlichen Burganlage setzte. Vom Farbton her passt es sogar zusammen, und von den Umrissen her erinnert auch der Neubau an eine Ruine mit Turm. Dennoch hat die krasse Verbindung mittelalterlicher Burgmauern mit Betonfassaden etwas Schockierendes.

Das Gebäude bekam zahlreiche Spottnamen wie "Bensberger Akropolis", "Beamtenbunker" und "Aapefelse" (Affenfelsen). Als es Ende der 60er-Jahre erbaut wurde, studierte Barbara Schock-Werner gerade: Böhm sei damals ein "Gott" gewesen, erinnert sie sich, und das Rathaus für sie ganz persönlich ein "Höhepunkt der Architektur". Heute sieht sie es aber auch kritisch: "Das Bizarre ist, dass die mittelalterlichen Teile besser erhalten sind als die Betonteile."

Böhm hat fast nur in Deutschland gebaut, aber er wurde international wahrgenommen. So erhielt er 1986 als erster Deutscher den Pritzkerpreis, der als die weltweit wichtigste Architekturauszeichnung gilt. Erst 2015 ging der Preis wieder nach Deutschland, posthum an Frei Otto (1925-2015).

Böhms Frau Elisabeth, die 2012 starb, war auch Architektin. Zusammen mit ihr entwarf er unter anderem die WDR-Arkaden in der Kölner Innenstadt. Ebenso sind drei der vier Söhne Architekten, der vierte ist Künstler. Man kann also durchaus von einer Baumeisterdynastie sprechen.

Im biblischen Alter von 100 Jahren spazierte Gottfried Böhm immer noch jeden Morgen in Köln von seiner Wohnung zum Büro, trank dort einen Kaffee und ging nach einer Stunde, gestützt auf einen Rollator und begleitet von einer Betreuerin, am Rhein entlang wieder nach Hause. Er war ein leiser, bescheidener Mensch. In der heutigen Architektenglitzerwelt, in der sich jeder anpreisen und wortreich erklären muss, hätte er vermutlich gar keine Chance mehr.