APA - Austria Presse Agentur

Korngolds "Tote Stadt" als Psychothriller in Linz

Mit einer vor allem musikalisch umjubelten Premiere von Erich Wolfgang Korngolds Meisterwerk "Die tote Stadt" hat am Samstag die Opernsaison am Linzer Musiktheater begonnen. Wiederum ist es Opern- und Orchesterchef Markus Poschner, der zusammen mit dem motivierten, bestens disponierten Bruckner Orchester Linz und den beiden Interpreten der Hauptrollen den Erfolg grundgelegt hat. Die Inszenierung der düsteren und beklemmenden Handlung stand dem Hörerlebnis nicht nach.

Die Geschichte der Toten Stadt - dem Synonym für sich überall ereignende menschliche Schicksale - führt in eine Welt von Traum und Wirklichkeit. Paul lebt nach dem Tod seiner geliebten Frau in unbewältigter Trauer, bis ihm in der Tänzerin Marietta die scheinbar Wiedergeborene begegnet. Mit ihr versucht er an das Gewesene anzuschließen. Sie will jedoch Paul "ganz oder gar nicht" gehören. Pauls Leidenschaft verwandelt sich in Wahn. Er tötet Marietta, die nun das "vollendete Ebenbild" seiner verstorbenen Frau ist. Der Traum von ihrer Wiederkehr ist zerstört.

Korngold (1897-1957) stattet die auf einen Kultroman seiner Jugendzeit zurückgehende Handlung mit spätromantischem Klangreichtum aus. Er nimmt dafür auch Anleihen bei Richard Wagner ("Parsifal"-Glocken) und Richard Strauss ("Rosenkavalier"). In groß besetzter Tutti-Pracht und dann wieder zurückhaltend die Solovioline begleitend, versteht der Komponist die dramatische Handlung faszinierend in Töne umzusetzen. Die "Tote Stadt" machte den damals erst 23-Jährigen schlagartig berühmt.

Die Partien des Paul und der Marietta sind höchst anspruchsvoll. Andreas Hermann und Erica Eloff wurden dem vollauf gerecht. Hermann bewährte sich bei seinem Rollendebüt mit metallisch gefärbtem Heldentenor auch in den meist hohen bis höchsten Tonlagen. Dazu kam seine beeindruckende Darstellung zwischen Leidenschaft und tödlichem Wahn. Erica Eloff war ihm als Marietta und Erscheinung von Pauls verstorbener Gattin ebenbürtig in Stimme und Gestaltung. Beide Partien bewegen sich in "Wagner-Nähe", erfordern darüber hinaus aber intensiven körperlichen Ausdruck. Martin Achrainer als Pauls Freund Frank und Adam Kim mit der dankbaren Einlage als Pierrot in der Commedia del Arte-Szene im zweiten Bild seien beispielhaft vom Ensemble namentlich erwähnt. Markus Poschner leitete das BOL und die Sängerschar mit der ihm eigenen Umsicht, Unterstützung und Anfeuerung zum nachhaltig beeindruckenden musikalischen Ereignis.

Die Inszenierung von Andreas Baesler setzte auf ein sinnliches Erlebnis. "Wie ein guter Thriller" (Baesler) baute er die zum Scheitern verurteilte Zweisamkeit auf. Bühne und Kostüme (Harald B. Thor und Tanja Hofmann) orientierten sich an der Entstehungszeit der Oper. Die Videos von Philipp Ludwig Stangl unterstützten stimmig Seelenzustände und Träume. Yuko Haradas Choreografie hatte besondere Aufgaben im rauschhaften Gelage des 2. Bildes. Chor, Kinder- und Jugendchor des Landestheaters agierten verlässlich aus dem Bühnenhintergrund. Korngolds "Tote Stadt" fesselt in der Linzer Neuinszenierung auch hundert Jahre nach der Uraufführung und ist eine Bereicherung des üblichen Opern-Repertoires.

(S E R V I C E - "Die tote Stadt" von Erich Wolfgang Korngold. Musikalische Leitung: Markus Poschner. Inszenierung Andreas Baesler, Bühne: Harald B. Thor, Kostüme: Tanja Hofmann. Mit Andreas Hermann (Paul), Erica Eloff (Marietta), Martin Achrainer (Paul), Manuela Leonhartsberger (Brigitta). Weitere Vorstellungen am 29. September, 7., 12., 15., 20. Oktober 2022, Musiktheater Linz, Großer Saal, https://www.landestheater-linz.at)