APA - Austria Presse Agentur

EU-Verhandlungen mit Serbien: Kosovo fordert Einfrieren

Die kosovarische Außenministerin Donika Gërvalla-Schwarz fordert ein viel entschiedeneres Auftreten der EU gegenüber Serbien wegen dessen Russland-Nähe.

"Serbien zeigt heute, dass es gar kein Interesse hat, in die EU zu kommen, also wäre es eine logische Schlussfolgerung, den Kandidatenstatus einzufrieren und damit auch die Gelder, die mit dem Kandidatenstatus einhergehen", so Gërvalla-Schwarz im APA-Interview. Der EU wirft sie "Appeasement"-Politik gegenüber Belgrad vor.

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Serbische Oligarchen

Ein anderer Schritt der EU könnte sein, Sanktionen gegen serbische Oligarchen, die mit russischen Oligarchen Geschäfte im Energiebereich machen, zu verhängen. "Denn es ist nicht in Ordnung, dass ein europäisches Land wie Serbien mitten in Europa als einziges diejenigen auch noch finanziell unterstützt und belohnt, die diesen Krieg gegen die Ukraine führen", sagte die kosovarische Außenministerin.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine habe die Situation am Westbalkan definitiv geändert. "Während wir alle schauen, wie man diesen Krieg beenden kann, wie man sich solidarisch zeigen kann und nicht nur verbal, sondern auch in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht Putin schwächen kann, gibt es einen unter uns auf dem Westbalkan, der das nicht macht, und das ist leider unser nördlicher Nachbar Serbien", kritisiert Gërvalla-Schwarz.

Der EU wirft sie "Appeasement" in Bezug auf Serbien vor. "Ich finde, dass die Europäische Union zu wenig macht. Die EU hat auch in den 1990er Jahren versucht, den Konflikt auf dem Balkan immer von einer Seite zu sehen, sodass es möglichst leicht wird, die Probleme zu ignorieren und nicht zu sehen", sagt die kosovarische Außenminister. Doch Probleme, um die man sich nicht kümmere, würden sich nicht auflösen, sondern nur größer werden, so Gërvalla-Schwarz.

Normalisierung der Beziehung zwischen Serbien und Kosovo

Nötig sei daher eine "sehr klare Strategie", wie der Prozess zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo zu einem Ende gebracht werden könne. "Es reicht nicht mehr zu sagen: Kinder, setzt euch mal und streitet euch nicht, sondern man muss wirklich mit einer klaren Botschaft an den Tisch, und es kann auch gar keinen anderen Ausgang für diesen Dialog geben, als die gegenseitige Anerkennung". Serbien weigert sich bisher, die 2008 verkündete Unabhängigkeit seiner einstigen Provinz Kosovo anzuerkennen.

Die Gefahr sei nicht nur eine weitere Blockade im Konflikt mit dem Kosovo, sondern die Destabilisierung könne sich auch in Richtung Bosnien-Herzegowina und in Richtung Montenegro ausbreiten. Verständnis für die Schritte des serbischen Präsident Aleksandar Vucic sei daher fehl am Platz. "Dass es diese große Abhängigkeit Serbiens von Russland gibt, ist an erster Stelle diesem Präsidenten zu verdanken", meint Gërvalla-Schwarz.

In Bezug auf den von der EU initiierten Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo zur Normalisierung der Beziehungen zeigte sich Gërvalla-Schwarz wenig optimistisch, da Serbien kein verlässlicher Verhandlungspartner sei. Der Kosovo gehe "nach Brüssel, um Ergebnisse zu erreichen", aber wenn auf der anderen Seite jemand sei, "der nur Rosinen pickt und sonst nichts implementiert, dann muss man sich fragen, was macht dieser Dialog für einen Sinn? Weil Dialog als Selbstzweck mag auch in Ordnung sein, aber das ist jetzt nicht das, was wir gemeinsam mit der EU tun sollten".

"vorsichtig optimistisch"

In Bezug auf die Visaliberalisierung, die dem Kosovo bereits seit Jahren von der EU in Aussicht gestellt wurde, zeigte sich Gërvalla-Schwarz "vorsichtig optimistisch", dass es in nächster Zukunft endlich Fortschritte geben werde. "Es wird Zeit, und es gibt gar keinen wichtigen Grund, warum die Kosovaren die einzigen sein sollten, die isoliert bleiben, die nicht ohne Visa reisen können".

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Auf die Frage, ob ihr Land in dieser Frage von der EU fair behandelt werde, meinte die kosovarische Chefdiplomatin: "Unsere Beziehungen zur EU sind viel breiter als die Visaliberalisierung und vor allem haben wir eine gemeinsame Zukunft, daher geht es da weniger um fair oder unfair." Der Kosovo wolle noch bis Ende des Jahres einen EU-Beitrittsantrag stellen und sie glaube, dass das Land in Bezug auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Menschen- und Minderheitenrechte gut darauf vorbereitet sei, sagt Gërvalla-Schwarz. Kein Hindernis sieht sie darin, dass fünf EU-Mitgliedstaaten den Kosovo nach wie vor nicht als eigenen Staat anerkennen: "Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg".

Dass die Ukraine im Schnellverfahren den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten habe, während die EU-Annäherung des Westbalkan seit Jahren stockt, haben sie nicht geärgert. "Im Gegenteil, wir stehen seit dem ersten Tag des Krieges auf der Seite der Ukraine und versuchen solidarisch zu sein, wo auch immer es geht." Daher unterstütze ihr Land selbstverständlich auch die Bestrebungen der Ukraine, der EU beizutreten, denn "das steht ja nicht in Konkurrenz zum westlichen Balkan, sondern das ist unser aller Beitrag, wie wir der Ukraine helfen können, sich selbst zu verteidigen und ganz Europa mitzuverteidigen".

In Bezug auf die vergangene Woche in Prag neugegründete Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) habe der Kosovo noch nicht ausreichend Informationen, wie diese aussehen solle, und daher auch keine klare Haltung. "Wenn das gedacht ist als Abstellgleis oder Vorhof, um Abstand zwischen der Europäischen Union und den Beitritts-Aspiranten zu halten, dann wäre das der falsche Ansatz", so Gërvalla-Schwarz. Derzeit sehe Prishtina die EPG aber vielmehr als eine zusätzliche Möglichkeit, sich auszutauschen, wenn es um das Schicksal des Kontinents gehe.

(Das Gespräch führte Judith Egger/APA).