KPÖ-Spitzenkandidat: Wir streben kein Regierungsamt an

Der Grazer Tobias Schweiger will für KPÖ in den Nationalrat
Die KPÖ will in den Nationalrat einziehen, aber nicht mitregieren. "Was momentan wirklich fehlt, ist eine Oppositionspartei, die regelmäßig an die sozialen Bedürfnisse der Menschen erinnert", so KPÖ-Spitzenkandidat Tobias Schweiger im APA-Interview. Die aktuelle Sozialhilfe-Debatte kritisiert er als Diskussion darüber, ob "die Menschen mit Mindestsicherung arm oder noch ärmer sein sollen". Für EU-Bürger kann er sich ein Wahlrecht auch ohne Staatsbürgerschaft vorstellen.

Der KPÖ-Bundessprecher ist zuversichtlich, dass seine Partei nach der Wahl ins Parlament einziehen wird. Regierungsämter strebe man aber keine an. "Wir sind noch nie gut damit gefahren, dass man Luftschlösser baut", so Schweiger. Bedenken, dass die KPÖ der unter Andreas Babler nach links gerückten SPÖ schadet und letztlich der FPÖ an die Macht verhilft, hat Schweiger nicht: "Wer Kickl an die Macht verhilft, sind tatsächlich die etablierten Parteien, die Menschen in den letzten Jahren mit schlechten Antworten versorgt haben."

Der SPÖ wirft Schweiger fehlende Glaubwürdigkeit beim Thema Wohnen vor. Auf Bundesebene erhebe sie ähnliche Forderungen, während sie "aber dort, wo sie das problemlos für hunderttausende Menschen umsetzen kann wie in Wien, keine Mietenbremsen einführt oder erst dann, wenn wieder Wahlkampf ist".

Zur aktuellen Sozialhilfe-Debatte zeigt Schweiger zwar Verständnis dafür, dass der Fall einer Migrantenfamilie mit sieben Kindern in Wien, die auf Sozialhilfe angewiesen ist und inklusive Mietbeihilfe 4.600 Euro monatlich bekommt, bei einigen Erwerbstätigen für Unverständnis sorgt. Die neunköpfige Familie bewegt sich aber immer noch weit unter der Armutsgrenze. Lösung müsse sein, dass die Löhne steigen und Steuerschlupflöcher für Großkonzerne geschlossen würden. "Machen wir es für alle attraktiver, nicht machen wir es für alle schlecht", so der Ansatz der KPÖ, die auch für eine Erhöhung der Sozialleistungen und eine Kindergrundsicherung eintritt.

Die Partei wirbt "für eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus", tatsächlich herbeiführen könnte einen Systemwechsel aber nur die Bevölkerung, betont Schweiger. "Die Grundwahrheit des Kommunismus war: Die Befreiung der Menschen kann nur das Werk der Menschen sein." Die Kommunistische Partei könne eine Revolution daher nicht verordnen, sondern nur Ideen liefern und die Menschen zur Selbsttätigkeit ermutigen.

Konkret schwebt dem KPÖ-Politiker mehr "Vergemeinschaftung" der Wirtschaft vor, vor allem im Wohn- und Energiebereich. Neben einem massiven Ausbau des öffentlichen Wohnbaus, soll es eine Mietpreisbremse geben, ein Verbot für befristete Mietverträge und eine Leerstandsabgabe. Wohnungen, die länger als zwei Jahre leer stehen, sollen von der öffentlichen Hand vergeben werden. Dies sei keine Enteignung, sondern wie "eine staatliche Hausverwaltung oder staatliche Maklerfirma" vorstellbar, so Schweiger.

Zudem will die KPÖ, "dass Energiekonzerne wieder zu gemeinwohlorientierten Unternehmen umgebaut werden", wobei der Energiegrundbedarf für alle Haushalte kostenlos zur Verfügung stehen soll. Mehr Staat kann sich Schweiger auch bei der Ernährungs- und Versorgungspolitik vorstellen. Hier sollte "man über ein modernes Konzept von öffentlichen Mensa-Systemen reden", so der KPÖ-Spitzenkandidat, damit könnte man auch Bäuerinnen und Bauern "aus dieser Zwangslage der Supermarktketten und Lebensmittel-Großkonzerne herauseisen".

Beim Thema Integration, das im KPÖ-Wahlprogramm keine Erwähnung findet, sieht Schweiger den wachsenden Anteil von Nicht-Wahlberechtigten in der Bevölkerung als eines der größten Probleme. Wenn man wolle, dass sich Menschen, die dauerhaft in Österreich leben, als Teil dieser Gesellschaft fühlen, "dann muss ich ihnen auch die demokratischen Mitbestimmungsrechte geben", so der KPÖ-Spitzenkandidat. Dazu müsse der Zugang zur Staatsbürgerschaft erleichtert werden. Bei den dauerhaft in Österreich lebenden EU-Bürgern kann sich Schweiger auch ein Wahlrecht ohne österreichische Staatsbürgerschaft vorstellen.

Bei der Gegenfinanzierung der umfangreichen KPÖ-Forderungen bleibt Schweiger vage. Mehrere Milliarden pro Jahr will er "von heute auf morgen" durch die Schließung von Steuerschlupflöchern einbringen, zudem setzen die Kommunisten auf Erbschafts- und Vermögenssteuern.

Innerhalb der KPÖ, die anders als die meisten anderen europäischen Schwesterparteien ihren Namen nach 1989 nicht geändert hat, sieht Schweiger keinen Bedarf für einen Erneuerungsprozess. Die Partei habe ihre Geschichte kritisch aufgearbeitet, Generationen von Parteimitgliedern hätten daran mitgewirkt und strukturelle wie inhaltliche Konsequenzen gezogen, so Schweiger, "der Prozess ist abgeschlossen".

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