APA - Austria Presse Agentur

Kriegszustand nach Kämpfen um Unruheregion Berg-Karabach

Nach schweren Kämpfen mit zahlreichen Toten und Verletzten in der Konfliktregion Berg-Karabach gilt in den verfeindeten Nachbarländern Armenien und Aserbaidschan der Kriegszustand.

In Aserbaidschan trat dies in der Nacht auf Montag in Kraft, wie Staatschef Ilham Aliyev am Wochenende entschied. In der Ex-Sowjetrepublik soll es in einigen Landesteilen abends Ausgangssperren geben. In Armenien verhängte Regierungschef Nikol Paschinian im ganzen Land den Kriegszustand. Zuvor hatte Aserbaidschan eine Militäroperation gegen Berg-Karabach begonnen und eroberte mehrere Dörfer. Zwischen den verfeindeten Ländern kam es nach Angaben beider Seiten am Sonntag zu den Gefechten. Berg-Karabachs Hauptstadt Stepanakert sei beschossen worden, hieß es. Paschinian wertete die Gefechte als Kriegserklärung gegen sein Volk.

Die von Armenien kontrollierte Region mit geschätzt 145.000 Einwohnern gehört völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan. Es handelt sich um die schwerste Eskalation seit Jahrzehnten.

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In Berg-Karabach wurden nach offiziellen Angaben 16 Soldaten durch Beschuss getötet und mehr als 100 verletzt. Aserbaidschan teilte mit, dass es fünf Tote und Verletzte in den eigenen Reihen gebe. Armenien behauptete, dass 200 Soldaten auf der gegnerischen Seite getötet worden seien. Das bestätigte Baku jedoch nicht. Unter den Opfern sind nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz auch Zivilisten.

Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld für die Gefechte. Armenien behauptete am Sonntagabend, dass die Türkei Aserbaidschan unterstützt haben soll. Das Verteidigungsministerium in Eriwan habe Informationen dazu; dass etwa türkische Waffen zum Einsatz gekommen seien. Regierungschef Paschinian betonte bei einem Telefonat mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron auch, dass sich die Türkei sehr aggressiv verhalte. Ankara müsse abgehalten werden, sich in diesen Konflikt einzumischen. Eine Reaktion aus der Türkei gab es bisher nicht.

Die EU, Österreich, Deutschland und auch Russland riefen die Konfliktparteien auf, die Kämpfe sofort einzustellen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Das österreichische Außenministerium äußerte sich auf Twitter "sehr alarmiert" und forderte eine Deseskalation sowie Rückkehr zum Dialog. "Gefrorene Konflikte können sich schell erwärmen." Deutschlands Außenminister Heiko Maas (SPD) betonte, dass die OSZE-Minsk-Gruppe mit ihren drei Co-Vorsitzenden Frankreich, Russland und USA für Verhandlungen bereit stehe. Der Iran, der gute Beziehungen zu beiden Ländern hat, bot sich ebenfalls als Vermittler an.

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UNO-Generalsekretär António Guterres zeigte sich ebenfalls beunruhigt über die Eskalation des Konflikts. Er werde deswegen auch noch mit dem Präsident von Aserbaidschan und dem Regierungschef von Armenien sprechen, hieß es. US-Präsident Donald Trump sagte, dass die Vereinigten Staaten versuchen würden, die Gewalt zu stoppen. "Wir schauen sehr genau hin", so Trump. "Wir haben viele gute Beziehungen in diesem Bereich. Wir werden sehen, ob wir es aufhalten können."

In einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte Baku die Kontrolle über das von christlichen Karabach-Armeniern bewohnte Gebiet verloren. Seit 1994 gilt in der Region eine Waffenruhe, die aber immer wieder gebrochen wurde. Zuletzt flammte der Konflikt 2016 stark auf - es starben mehr als 120 Menschen. Das völlig verarmte Armenien setzt auf Russland als Schutzmacht, das dort Tausende Soldaten und Waffen stationiert hat. Das öl- und gasreiche Aserbaidschan hat die Türkei als verbündeten Bruderstaat.