Kummers Thomas-Bernhard-Graphic Novel-Serie abgeschlossen

Fünf Bände Thomas Bernhard als Graphic Novel
Die Welt des Thomas Bernhard ist in den vergangenen Jahren auch für mehr an gezeichneten Bildern als an geschriebenen Texten orientierte Menschen erschlossen worden. Verantwortlich dafür sind zwei Österreicher. Nicolas Mahler und Lukas Kummer. Ersterer hat seine Kunst, Literatur mit lakonischem Strich zu komprimieren, mit Bernhard begonnen, Letzterer hat ein Riesenwerk abgeschlossen: Alle fünf autobiografischen Romane liegen nun als Graphic Novels aus seiner Zeichenfeder vor.

Als ideales Weihnachtsgeschenk bewirbt der Residenz Verlag den nun herausgebrachten Schuber mit den fünf Bänden - und das völlig zu Recht. Denn der 1988 in Innsbruck geborene und heute in Kassel lebende Illustrator und Comiczeichner Lukas Kummer hat es geschafft, die verstörende Atmosphäre dieser Erinnerungen an Kindheit und Jugend kongenial einzufangen und dennoch dem Geschriebenen seine Bedeutung zu belassen. Abgeschiedenheit und Ausweglosigkeit kennzeichnen diese Jahre, in denen sich im Überlebenskampf und der Positionierung zu seiner engsten Umgebung ein Charakter formt.

"Ein Kind" als fünfter und letzter Teil

Nach "Die Ursache" (2018), "Der Keller" (2019), "Der Atem" (2021) und "Die Kälte (2023) nun also "Ein Kind", die 1982 erstmals erschienene Erzählung, in der der uneheliche Bub von seiner Mutter immer wieder misshandelt wird und im Großvater, dem Dichter Johannes Freumbichler, eine wichtige Vaterfigur findet, der ihn in seinem Beharren auf Eigenständigkeit bestärkt. Doch selbst prägende Menschen sind bei Kummer buchstäblich gesichtslos und werden eher in ihrem körperlichen Ausdruck gekennzeichnet.

Ein einziges Mal geht er - abgesehen von der zeichnerischen Wiedergabe eines berühmten Fotos des fahrradfahrenden Thomas Bernhard am Ende - ins Detail: Als der Dichter erkennt, dass die wiederkehrende Wut der Mutter in Wahrheit wohl gar nicht ihm, dem Sohn galt. "Wenn sie mich sah, sah sie meinen Vater, ihren Liebhaber, der sie stehengelassen hatte. Mein Gesicht war dem Gesicht meines Vaters nicht nur ähnlich, es war das gleiche Gesicht. Der Ochsenziemer galt nicht nur mir, er galt bei jeder Gelegenheit auch meinem Vater ..."

Wie schon in den vorangegangenen Bänden spielen Landschaft und Architektur eine Hauptrolle. Hier geht der Zeichner deutlich mehr ins Detail, sodass sich die prägende Wucht von Kirchen und Heimen ebenso unmittelbar vermittelt wie der starke Gegensatz von Stadt und Land. Am Ende besucht der Bub mit seinem Großvater Passau, wo der 13-Jährige die Aufnahmeprüfung für die Handelsakademie absolviert, Freumbichler aber sofort von der Architektur Passaus "angeekelt" wird und stattdessen Salzburg für den Enkel als Ausbildungsort bestimmt. Kummers Schlussbild sagt alles: Von dieser Stadt und ihrer mächtigen Festung kann man nur erschlagen werden.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Thomas Bernhard / Lukas Kummer (Illustrationen): "Ein Kind", Residenz Verlag, 112 Seiten, 22 Euro; Thomas Bernhard / Kummer (Illustrationen): "Die Autobiographie als Graphic Novel", Residenz Verlag, 5 Bände im Schuber, 560 Seiten, 99 Euro)

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