APA - Austria Presse Agentur

Kunstforum Wien zeigt echte Beltracchis

Ein Streifzug durch fast 2.000 Jahre Kunstgeschichte, von Fresken aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert bis zu den Meistern von Impressionismus und Expressionismus. Was große Kunstmuseen trotz langjähriger Sammlungstätigkeit nicht immer schaffen, hat der deutsche Unternehmensberater Christian Zott in Auftrag gegeben. Bei dem vielleicht Berufendsten dafür: dem Maler Wolfgang Beltracchi.

Der heute 68-Jährige hat eine unglaubliche Begabung: Er kann die "Handschrift" unzähliger Maler der verschiedensten Epochen täuschend echt nachahmen. Ein verführerisches Talent, das zu einem der größten Kunstfälscherskandale der vergangenen Jahre führte. 2010 wurde das Ehepaar Beltracchi festgenommen und im Jahr darauf gemeinsam mit zwei Komplizen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs schuldig gesprochen. Er wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt, die er teilweise im offenen Vollzug verbüßte, und musste im Zuge der Schadensersatzzahlungen Privatinsolvenz anmelden.

Seither hat er gemeinsam mit seiner Frau seine Autobiografie veröffentlicht ("Selbstporträt", Rowohlt Verlag) und malt unermüdlich weiter. Nach Wien ist er zu Zotts Ausstellung "Kairos. Der richtige Moment. Wolfgang Beltracchi und Mauro Fiorese" im Bank Austria Kunstforum Wien gekommen.

Das APA-Interview am Vortag der Eröffnung beginnt Beltracchi, indem er gleich einmal prophylaktisch jene beiden Fragen beantwortet, die ihm angeblich garantiert jedes Mal gestellt werden: "Bereuen Sie Ihr Tun? Ja. Hängt in Wien noch ein altes Gemälde von Ihnen? Weiß ich nicht." Erst dann ist "der richtige Moment" gekommen, um mit dem Meisterfälscher vor einem großformatigen Gruppenbild der berühmten Künstlergruppe Blauer Reiter in der Handschrift von Heinrich Campendonk und einem nie gemalten Selbstporträt von Gustav Klimt über den Zusammenhang von Kunst und Kunsthandwerk zu sprechen.

"Die Kunst die heute entsteht, entsteht fast nur aus Unvermögen. Bei mir entsteht dagegen alles aus dem Vermögen. Ich kann alles malen, und ich habe auch das Wissen dazu. Ich kenne diese 2.000 Jahre Kunstgeschichte. Daraus und aus meiner Intuition entsteht meine Kunst." Er selbst habe "vielleicht zehn, zwölf eigene Handschriften", sagt der Sohn eines Kirchenmalers, dem der Vater die handwerklichen Grundlagen beibrachte.

"Dass es wichtig sei, eine eigene Handschrift zu finden, erzählen sie einem schon auf der Kunsthochschule. Aber wo endet das? Dass jemand 50 Jahre seine Bilder auf den Kopf hängt, irgendwo Nägel reinklopft oder die Leinwand aufschlitzt - das ist dann die eigene Handschrift? Das hat vielleicht in den ersten zehn Jahren noch etwas mit Kunst und Kreativität zu tun, danach aber nicht mehr. Für mich liegt die Kreativität der Kunst darin, immer wieder bei Null anzufangen."

Der Nullpunkt lag bei Beltracchi freilich immer woanders: Dort, wo er mit Akribie versuchte, sich in das Leben und Schaffen anderer hineinzuversetzen. "Ich bin dadurch natürlich zu einer Art multiplen Person geworden. Ich kann ja jeden malen, das ist einfach mein genetischer Defekt, dagegen kann ich nichts tun." Die Ausstellung zeige also nicht wirklich sein zweites Leben, nur weil die von ihm gemalten Bilder nun auch von ihm signiert würden. "Es ist schon ein bisschen eine Aufarbeitung meiner Vergangenheit. Aber die Herangehensweise hat sich nicht geändert. Außer, dass ich jetzt nicht zwingend authentische alte Materialien verwendet habe."

Was er nun gemacht habe und in der nach Stationen in Venedig und Hamburg nun vom 4. bis 21. September im Kunstforum Wien eingemieteten Ausstellung zu sehen ist, seien "Illustrationen von Momenten in Zeiten, die ich nachvollziehe. Natürlich ist meine Kunst eine Art Konzeptkunst." So entstanden Bilder, die gemalt werden hätten können, aber aus den unterschiedlichen Gründen nicht gemalt wurden. William Turner hat die HMS Beagle, mit der Charles Darwin von Devonport aus zu seinen berühmten Expeditionen aufbrach, nie gemalt. Claude Monet hat 1874 nicht die Ansicht auf das Atelier Nadar vom Boulevard des Capucins gemalt, sondern den Blick aus Nadars Studio, wo die erste Impressionisten-Schau stattfand. Und Max Beckmann hat nie den Mord an Rosa Luxemburg gemalt.

Beim Rundgang stößt man neben Bildern "in der Handschrift" von Botticelli, Cranach oder Vermeer auch auf zehn Großformate, die mehr Beltracchis eigene Handschrift tragen als die anderen im Parcours. Und dazwischen hängen große Fotos des italienischen Fotografen Mauro Fiorese (1970-2016), der für seine Serie "Treasure Rooms" die Depots bedeutender europäischer Museen abgelichtet hat. Beltracchi hält nicht viel von diesem Duett, für den Unternehmer Zott sind sie dagegen wesentlich. Fiorese habe er am Ende einer sieben Monate dauernden Wanderung durch Europa kennengelernt, bei der er auch viel über den "richtigen Moment" nachgedacht und sein Konzept entwickelt habe.

Die Ausstellung, die ab 9. November in Zotts derzeit in Bau befindlicher eigener Kunsthalle in Unterammergau gezeigt werden soll und danach Stationen in Nordamerika und Asien anpeilt, verfolge auch einen pädagogischen Ansatz, sagt er: Er wolle Kunst erlebbar machen. Dabei sollen jene Kunstwerke, die in Depots der Öffentlichkeit entzogen seien, ebenso gewürdigt werden, wie jene, die erst gar nicht entstanden sind. Jedenfalls nicht zu der Zeit, in der sie als wahrhafte Zeitdokumente entstehen hätten können.

Dass Zeit ein wesentlicher Faktor von Kunst und Kunstmarkt ist, davon ist Wolfgang Beltracchi sowieso überzeugt. Seine Bilder seien heute so teuer wie nie zuvor, schmunzelt er: "Inzwischen hoffen die Menschen, wenn Sie wissen wollen, ob ein bestimmtes Bild aus ihrem Besitz von mir gemalt wurde, dass es von mir ist. Und niemand will es zurückgeben." Doch das sei kein Vergleich zum großen Umbruch, den er kommen sieht: "In spätestens 10, 15 Jahren malen nur noch Computer Bilder."