APA - Austria Presse Agentur

Leitl fordert Gelder aus EU-Wiederaufbaufonds noch heuer

Der Präsident der Europäischen Wirtschaftskammer "Eurochambres", Christoph Leitl, hat gefordert, dass Wirtschaftshilfen aus dem geplanten europäischen Wiederaufbaufonds noch heuer fließen. "Wir können nicht acht Monate verstreichen lassen. Sonst saufen uns viele Betriebe ab", sagte Leitl im Gespräch mit der APA. In Österreich sieht er schätzungsweise 50.000 Betriebe "akut bedroht".

Bei vielen Betrieben gehe es rein ums Überleben, sagte Leitl, der in die Gespräche mit der EU-Kommission über das EU-Budget und den Wiederaufbaufonds einbezogen ist. In Europa seien drei Millionen Unternehmen "direkt bedroht", vor allem die kleineren Betriebe, insgesamt gehe es dabei um zehn Millionen Beschäftigte. In Österreich seien schätzungsweise 50.000 Betriebe durch die Coronakrise "akut bedroht". Der Wiederaufbaufonds soll an den EU-Finanzrahmen geknüpft sein, der von 2021 bis 2027 gilt.

Leitl erwartet, dass die EU-Kommission am 6. Mai ihren neuen Vorschlag für den EU-Finanzrahmen und für den Wiederaufbaufonds vorlegt, dem Vernehmen nach könnte der Plan aber um ein bis zwei Wochen verschoben werden. "Wir fordern das als Europäische Wirtschaftskammer. Feuerwehreinsatz heißt sofort ausrücken", sagte er. "Wenn wir uns jetzt Zeit lassen, wird der Schaden immens groß." Leitl verlangt, dass sich die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem nächsten Treffen und vor der Sommerpause auf den Rettungsplan einigen. Ein Fehler Europas in der Coronakrise sei gewesen, dass die Dimension nicht gleich voll erkannt worden sei.

Die Europäische Wirtschaftskammer spreche sich dafür aus, das EU-Budget in den ersten zwei bis drei Jahren zu verdoppeln, sagte Leitl. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits eine Anhebung der Eigenmittel-Obergrenze im Budget von derzeit 1,2 Prozent des europäischen Bruttonationaleinkommen (BNE) auf 2 Prozent angekündigt. Die von der EU-Kommission geplante Anleihenfinanzierung sieht Leitl nur als Modell für die Krisenbewältigung, eine Vergemeinschaftung von Schulden sehe er nicht. Um der EU kurzfristig mehr eigene Einnahmen zu geben, regt Leitl an, dass die EU und die Mitgliedstaaten konsequenter gegen den Mehrwertsteuerbetrug vorgehen. Dies wäre die "wirkungsvollste kurzfristige Maßnahme" und könnte Hunderte Milliarden Euro bringen.

Grundsätzlich zeigte sich Leitl optimistisch, dass sich die EU-Staaten auf das nächste Mehrjahresbudget und auf den Wiederaufbaufonds einigen werden. Er sehe "eine Einigung relativ in Sichtweite", sagte er. Die strittige Frage, ob die Hilfsgelder in Form rückzahlbarer Kredite oder als Zuschüsse vergeben werden, könne durch einen Kompromiss gelöst werden. Bei einem Volumen von 1,5 Billionen Euro aus dem Wiederaufbaufonds und dem bisherigen Rettungspaket von 540 Milliarden Euro könnten insgesamt europäische Hilfen in Höhe von 2.000 Milliarden Euro zustandekommen, so Leitl.

Für Österreich sei zudem wichtig, dass die Grenzen in Europa geöffnet werden. Die Verbindungen nach Europa seien lebensnotwendig, "wir sind ein wichtiger Zulieferer", so Leitl.

Im Streit zwischen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und der EU-Kommission um eine von Österreich geforderte Aussetzung der EU-Beihilfenregeln rief Leitl dazu auf, die Bürokratie zu beseitigen und von gegenseitigen Schuldzuweisungen abzusehen. Die EU und Österreich sollten sich das Schweizer Modell zum Vorbild nehmen, bei dem Unternehmen rasch und unbürokratisch geholfen werde.