Die Opposition und unabhängige Beobachter zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Zahlen. Sie gehen von einer wesentlich höheren Inflation aus. Getrieben wurde der Anstieg der Kosten für die Lebenshaltung vor allem durch höhere Preise für Lebensmittel. Diese waren im November in der Türkei um etwa 27 Prozent teurer als vor einem Jahr. Die Erzeugerpreise legten im November sogar um 54,6 Prozent zu. Die Preise, die Produzenten für ihre Waren verlangen, dürften mit einiger Verzögerung zumindest teilweise auf die allgemeinen Verbraucherpreise durchschlagen.
Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu zog am Freitag vor das Gebäude der Statistikbehörde und warf der Einrichtung vor, die Zahlen zu manipulieren: "Ihr macht die Zahlen kleiner!", sagte er. Die Zahlen seien nicht vertrauenswürdig und die Behörde zu einer "Palast-Einrichtung" geworden. Unabhängige Beobachter wie die Enagrup etwa schätzen die Inflation deutlich höher, im November etwa auf über 58 Prozent.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich in den vergangenen Monaten immer wieder in die Geldpolitik der Notenbank eingemischt. Entgegen gängiger Expertenmeinung vertritt Erdogan die Ansicht, hohe Zinsen förderten die Inflation. Viele Notenbanker, die sich mehr oder weniger gegen Erdogans Ansichten stellten, mussten bereits ihren Hut nehmen.
Die hohe Inflation schmälert die Einkünfte und Ersparnisse der Türken, was viele Haushalte in Bedrängnis bringt. Ökonomen erwarten, dass das Ende der Fahnenstange damit noch längst nicht erreicht ist. Im kommenden Jahr könnten demnach Inflationsraten von etwa 30 Prozent erreicht werden. Das wird zum großen Teil auf die starke Währungsabwertung zurückgeführt, da dadurch Importe wie Medikamente, Öl und andere Rohstoffe teurer im Ausland eingekauft werden müssen. Heuer hat die türkische Lira rund 47 Prozent an Wert verloren. Das liegt Experten zufolge auch daran, dass die Zentralbank ihren Leitzins auf aktuell 15 Prozent gesenkt hat.