APA - Austria Presse Agentur

Lübcke-Mord - Mehrere Hundert Menschen bei Mahnwache

An einer Mahnwache für den ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke haben in dessen Heimatstadt Wolfhagen mehrere Hundert Menschen teilgenommen. "Der Marktplatz war voll", sagte der Dekan des Evangelischen Kirchenkreises, Gernot Gerlach, nach dem Gedenken am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Es seien weit mehr Menschen gekommen als erwartet.

Zu der Mahnwache hatten der Kirchenkreis Wolfhagen und die Stadt aufgerufen. "Er ist als Christ ermordet worden", sagte der Geistliche, der Lübcke seit den 1990er Jahren in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder begegnet war. "Diesen Politiker zeichnet aus, dass er sich mit einer klaren Haltung des christlichen Glaubens politisch eingebracht hat. Grundlage und Orientierung von Lübckes Handeln, auch seines Einsatzes für Geflüchtete, sei das Jesus-Wort gewesen: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (Matthäus 25,40).

Während der Mahnwache, zu der auch eine Ansprache von Bürgermeister Reinhard Schaake (parteilos) gehörte, entzündete Dekan Gerlach drei Kerzen - darunter eine "für alle Anwesenden, die dem Zerstörungswahn der Rechtsextremisten widerstehen und sagen: Halt, stopp!". Die Täter hätten Lübcke zwar das Leben genommen, könnten ihm aber nicht seine Würde rauben.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel forderte in Reaktion auf den Mord ein tabuloses und rigoroses Vorgehen des Staates gegen Rechtsextremismus. Merkel sagte am Samstag auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund mit Hinweis auf die früheren NSU-Morde, dass man Rechtsextremismus "in den Anfängen bekämpfen muss, ohne jedes Tabu". "Sonst haben wir einen vollkommenen Verlust der Glaubwürdigkeit."

Merkel verwies darauf, dass man den NSU-Opfern die Aufarbeitung der Morde und Netzwerke versprochen habe. "Deshalb ist der Staat hier auf allen Ebenen gefordert. Und der Bundesregierung ist das sehr, sehr ernst." Merkel fügte hinzu, der Mord an Lübcke sei "eine große Aufforderung, auf alle Ebenen noch einmal zu schauen, wo es rechtsextreme Tendenzen oder Verwebungen geben könnte. Wir müssen ganz klar hingucken."

Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte vor wenigen Tagen noch gesagt, dass es bisher keine Hinweise auf Komplizen oder eine terroristische Organisation gebe. Ein rechtsextremistischer Anschlag auf einen führenden Repräsentanten des Staates sei ein Alarmsignal, hatte allerdings auch Seehofer betont, der von einer "neuen Qualität" sprach.

Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war in der Nacht auf den 2. Juni auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen-Istha erschossen worden. Dringend tatverdächtig ist Stephan E., der 45-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Die deutsche Bundesanwaltschaft stuft das Verbrechen als politisches Attentat mit rechtsextremem Hintergrund ein.