APA - Austria Presse Agentur

Luk Perceval inszeniert Koproduktion mit Landestheater NÖ

Schwarz, Gelb, Rot sind die Farben der belgischen Nationalflagge. Sie geben Regisseur Luk Perceval die Orientierung für eine Trilogie zur belgischen Geschichte und ihren Tabuthemen, bei der das Landestheater Niederösterreich als Koproduzent des NT Gent dabei ist. Nach dem Auftakt mit "Black", der sich mit der Kolonialvergangenheit Belgiens auseinandersetzte und vor einem Jahr in St. Pölten gastierte, folgt am Donnerstag nun "Yellow" als Stream. Es geht um die NS-Zeit.

Neben dem Massenmord im Kongo, mit dem die Trilogie "The Sorrows of Belgium" eröffnete, "ist die Kollaboration mit den Nazis der zweite Schandfleck in der Geschichte Belgiens", erklärt der Regisseur im Zoom-Interview mit der APA. Nicht nur die Flamen, die sich als Teil der deutschen Rasse verstanden, auch die französischsprachigen Wallonen hätten das Unrechtsregime unterstützt. Gleichzeitig habe es aber einen richtigen Bürgerkrieg zwischen den Kollaborateuren und den Widerstandsgruppen gegeben, der in den 80er-Jahren in einer viel beachteten Fernsehserie aufgearbeitet worden sei.

"Yellow" zeigt nicht nur flämische und wallonische Freiwillige in der SS, sondern auch den österreichischen SS-Offizier Otto Skorzeny (1908-1975). "Er ist eine unfassbar kontrastreiche Figur und würde einen eigenen Abend verdienen", sagt Perceval. "Er war ein enger Vertrauter Hitlers, wurde für die Befreiung Mussolinis gefeiert, hat nach dem Krieg mit dem Mossad zusammengearbeitet und unbehelligt in Spanien gelebt." Dort stand er in engem Kontakt mit einer der schillerndsten Figuren der belgischen Kollaboration, dem Wallonen Leon Degrelle (1906-1994). "Er war sehr eloquent, traf zweimal persönlich mit Hitler zusammen und wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. In Spanien wurde er ein guter Freund von Skorzeny und sein Wohnort in Marbella zur Pilgerstätte für Rechtsradikale."

Dass sich diese Verbindung auch in "Yellow" wiederfindet, ist der Zusammenarbeit des NT Gent mit dem Landestheater Niederösterreich geschuldet. Gemeinsam mit der österreichischen Dramaturgin Margit Niederhuber, die auch in Gent die Proben begleitet hat, habe man nach augenfälligen historischen Parallelen gesucht, erzählt Perceval. "Die Belgier haben kollaboriert - aber die Österreicher, die sich später als Opfer stilisiert haben, waren natürlich auch voll dabei." In Gent dabei ist auch Landestheater-Ensemblemitglied Philip Leonhard Kelz, der Skorzeny spielt - "auf Deutsch und auf Flämisch", wie der Regisseur schmunzelt versichert. Zum Stream werden aber (neben holländischen, englischen und französischen) auch deutsche Untertitel angeboten.

Es handle sich bei der Online-Premiere am Donnerstag (live soll die Produktion im Herbst ihre Österreich-Premiere in St. Pölten feiern) nicht einfach um eine abgefilmte Vorstellung, sondern um eine mit mehreren Kameras aufgenommene Filmversion der Aufführung, für deren Aufzeichnung man sich zwei Wochen Zeit genommen habe, erzählt Luk Perceval. Mit einer adäquaten Transferierung des Bühnengeschehens ins Digitale beschäftige er sich schon seit langem, sagt der Belgier. Diese Entwicklung habe durch Corona natürlich an Dynamik gewonnen. "Überall laufen die Leute mit ihren Smartphones in der Hand durch die Gegend. Das ist ein riesiges Potenzial für die Theater, die Internet-Kanäle nicht nur für die Werbung zu nutzen, sondern auch inhaltlich Präsenz zu zeigen."

Entscheidend sei dabei auch die Multilingualität. "Deswegen bleiben die einen auch im Web auf ein paar hundert Zuschauern sitzen, die anderen erreichen jedoch Tausende neue User in Shanghai, Buenos Aires oder Kapstadt", führt Perceval Beispiele von Theaterdirektoren an, mit denen er zuletzt über ihre Erfahrungen bei den Online-Aktivitäten gesprochen hat. Er selbst hat während des Lockdowns nicht nur einen vierwöchigen Workshop zu Lion Feuchtwangers "Exil" am Berliner Ensemble in 15 Folgen ins Netz gestellt und bietet jeden Morgen Online-Yoga-Unterricht an, sondern hat auch Director's Cuts seiner alten Theater-Filme hergestellt und sie untertitelt. Die Zukunft gehöre nicht dem abgefilmten Theater, sondern der experimentellen Öffnung gegenüber neuen Medien, ist er überzeugt.

Nach der "Yellow"-Online-Premiere geht es für Luk Perceval nach Warschau. Dort soll in vier Wochen seine "Drei Schwestern"-Inszenierung Premiere haben. Live. Vor Publikum. "Die Theater sind dort wieder offen. Und sie werden vom Publikum gestürmt", begeistert er sich. Wann in Belgien wieder Vorstellungen mit Publikum möglich sein werden, steht derzeit allerdings ebenso in den Sternen wie das Wieder-Aufsperren der Theater in Deutschland und Österreich. In einem Jahr soll dann in Gent mit "Red" der Schlussteil der Trilogie herauskommen. "Es geht um die Anschläge in Brüssel und um die Tatsache, dass die meisten ausländischen IS-Kämpfer aus Brüssel gekommen sind", sagt Perceval. Für Herbst 2022 ist eine Gesamtaufführung von "The Sorrows of Belgium" geplant.

Planungen für weitere Arbeiten bei den Salzburger Festspielen (wo er u.a. 1999 den bewunderte "Schlachten!"-Marathon verantwortete) oder am Burgtheater existierten dagegen nicht, sagt der Regisseur, der 2018 mit "Rosa oder Die barmherzige Erde" am Akademietheater sein Burgtheater-Debüt gab. "Kusej meldet sich nicht bei mir", meint er, und fügt schmunzelnd hinzu: "Ich glaube, dort bin ich gescheitert."

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Luk Perceval: "Yellow - The Sorrows of Belgium II", Eine Koproduktion von NT Gent, Landestheater Niederösterreich, Le Manège Maubeuge; Inszenierung: Luk Perceval, Musik: Sam Gysel, Bühnenbild: Annette Kurz, Kostüme: Ilse Vandenbussche. Mit Peter Seynaeve, Chris Thys, Lien Wildemeersch, Bert Luppes, Maria Shulga, Oscar Van Rompay, Philip Kelz, Valéry Warnotte. Live-Stream mit deutschen, holländischen, englischen und französischen Untertiteln am 11.3., 20 Uhr. Nach der Premiere gibt es backstage die Möglichkeit, via Vimeo-Chat Fragen zu stellen. www.landestheater.net und www.ntgent.be)