APA - Austria Presse Agentur

Lukas König lud beim donaufestival zum Beatrundumschlag

Zeig mir deine Freunde, und ich sage dir, wer du bist: Schlagzeuger Lukas König hat sich einen besonderen Platz in der heimischen Musikszene erspielt. Anspruchsvoller Jazz, gewagte Soundexperimente, breitwirksamer Pop, alles ist bei ihm möglich. Beim Kremser donaufestival hat er Samstagabend sein neuestes Album "1 Above Minus Underground" vorgestellt und dafür eine illustre Kollegenschaft geladen. Oldschool-Hip-Hop und lärmende Urgewalt, das macht ihm so schnell keiner nach.

Wie wenig sich König fassen lässt, macht schon die direkte Gegenüberstellung mit der Vorgängerplatte deutlich: "Messing" bestand 2020 aus Klängen, die der versierte Schlagwerker aus einem einzigen Becken holte. Nun hat er gemeinsam mit Partner Nik Hummer sein Schlagzeugspiel durch modulare Synthesizer gejagt und aus den so entstandenen, oft 20-minütigen Stücken die besten Parts herausdestilliert. "Das klang dann sehr poppig, sehr nach Hip-Hop, abgesehen von ein paar Noise-Dingern", schmunzelte König im APA-Interview. Nur: Was weiter damit anstellen?

"Ich habe zunächst davon geträumt, mit wem ich gerne etwas machen würde, wer meine Lieblingsrapper im Moment sind." Und wer wie König in den Clubs zwischen New York und Wien gern gesehener Gast ist und keine Kollaboration scheut, der hat dann doch ein paar Nummern abgespeichert. Zum Glück für das Festivalpublikum ließen sich MCs wie Will Brooks von den Rapvordenkern Dälek, Guilty Simpson oder Nappy Nina aber nicht nur für die Aufnahmen überreden, sondern auch von einer Livepräsentation begeistern.

Dementsprechend ging es im Stadtsaal Schlag auf Schlag, servierte Victoria Shen zum Auftakt bitterbösen Krach und pflügte durch die Reihen, bevor sich König ans Drumkit setzte und für Vokalartist um Vokalartist das Soundbett bereitete. Mal noisig (mit Elvin Brandhi), dann ganz dem Groove verpflichtet (etwa bei Guilty Simpsons "R.I.P."), blieben keine Wünsche offen, durfte im Lärm gebadet und zum Kopfnickerbeat der Arm in die Luft geworfen werden - und auch der Chef selbst war angesichts der organisatorischen Mammutaufgabe zufrieden.

"Es war ein Riesenbrocken", umriss König das Vorhaben. "Die Platte ist ja nur gut 35 Minuten lang. Wie wird das also, wenn ich alle hole, wir aber nur eine Nummer spielen? Ich wusste ja nicht, wie improvisierfreudig sie sind. Also habe ich von allen meine Lieblingstracks ausgesucht." Nach einer einzigen Probe am Vortag in Wien zeichnete sich schnell ab: "Das wird supereasy. Dabei habe ich schon geschwitzt die letzten Monate: Wie würde das alles zusammengehen? Vielleicht sitze ich manchmal zwischen den Stühlen, weil mich die Leute nicht kategorisieren können. Aber es taugt mir eben am meisten, alles zu machen. Außer Schlager", lachte König. So kann es definitiv weitergehen.

Musik spielte auch eine wesentliche Rolle bei der Performance "Aphasia" von Regisseurin Jelena Jureša, die am ersten Festivalwochenende gezeigt wird. Allerdings hinterließen diese 90 Minuten eher ein beklemmendes Gefühl, wurde doch in einer Mischung aus Konzert, Sprachperformance und Tanz die Geschichte des Belgrader DJ Max erzählt, der im Bosnienkrieg 1992 Kriegsverbrechen begangen haben soll. Eine vom renommierten Fotografen Ron Haviv eingefangene Szene zeigt demnach den heutigen Musiker, wie er eine am Boden liegende, bereits tote Frau gegen den Kopf tritt - den Rücken zur Kamera gekehrt, in der linken Hand locker eine Zigarette haltend.

Diese Finger waren es auch, die von Performerin Ivana Jozic ein ums andere Mal ins Spiel gebrachten wurden. Während ihre auf zwei Podesten positionierten Kollegen Alen und Nenad Sinkauz mittels Gitarre, Bass und allerlei Effektgerätschaft den treibenden Musikrahmen kreierten, schritt sie durch das Publikum, erzählte von scheinbar sorglosen Clubnächten und dann eben dieser Hand. "Erinnert ihr auch an diese Finger? Ich schon." Einem sich stetig steigernden Sog gleich, umkreiste das Stück Fragen nach Mitwisserschaft, Verdrängung und Schuld. Das Foto selbst wurde im übrigen nicht gezeigt - und trotzdem hatte man es am Ende eindringlich vor Augen.

Andere Bilder erzeugten am Nachmittag Silvia Tarozzi und Deborah Walker, die in der Minoritenkirche Lieder von "Krieg, Arbeit und Liebe" anstimmten. Eine betont weibliche Perspektive einnehmend, sorgten die italienischen Musikerinnen zwar für nachdenkliche Momente, wussten aber immer wieder amüsante Zwischenspiele und Erzählungen zu setzen. Ihr Landsmann Daniele Guerrini alias Heith lieferte im Anschluss eine der gelungensten Festivaldarbietungen bisher, nutzte dafür fragile Elektronik und verfremdete Stimmen ebenso wie malmenden Postrock. Unterstützt wurde er nicht nur von Jacopo Battaglia am Schlagzeug und Leonardo Rubboli an der Gitarre, sondern einer ungemein zwingenden Visualarbeit von Declino. Da erzitterte das Gemäuer, wohl nicht zum letzten Mal an diesem Wochenende.

(S E R V I C E - www.donaufestival.at)