Macron will offenbar Draghi als EU-Kommissionspräsidenten

Kehrt "Supermario" Draghi nach Brüssel zurück?
Der französische Präsident Emmanuel Macron unterstützt die Kandidatur des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten und EU-Zentralbankchefs Mario Draghi für den Posten des neuen EU-Kommissionschefs nach der EU-Wahl im Juni. Dies berichtete die römische Tageszeitung "La Repubblica" (Freitagsausgabe), die sich auf diplomatische Kreise in Brüssel und Paris bezog. Beobachter sehen in einer Kandidatur von "Supermario" Draghi eine Kampfansage an rechtspopulistische Parteien.

Macron habe über eine mögliche Kandidatur des ehemaligen EZB-Chefs Draghi auch mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz diskutiert, berichtete das Blatt. Die aktuelle EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen könnte als Generalsekretärin die Führung der NATO übernehmen. Die Positionierung Macrons entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, gilt von der Leyen doch als europapolitische Erfindung des französischen Präsidenten. Er hatte sich nach der Europawahl 2019 gegen das informelle EU-Spitzenkandidatensystem gestellt und im Rat der Staats- und Regierungschefs die Ernennung des EVP-Kandidaten Manfred Weber zum Kommissionspräsidenten verhindert. Stattdessen kam seine Landsfrau und Parteifreundin von der Leyen zum Zuge.

Von der Leyen hat sich über ihre Ambitionen auf eine weitere Amtszeit an der Spitze der Brüsseler EU-Behörde bisher bedeckt gehalten. Anders als Draghi stammt sie aus der größten EU-Parlamentsfraktion, der Europäischen Volkspartei (EVP) und könnte wohl auf deren Unterstützung zählen. Durch ihren entschlossenen Kurs zur Unterstützung der Ukraine gegen die russische Aggression wurde sie zum bevorzugten Feindbild vieler rechtspopulistischer Parteien, denen Russlandnähe attestiert wird.

Eine Kandidatur Draghis könnte das Thema Ukraine-Krieg im Europawahlkampf entschärfen. Fraglich ist, ob der 76-Jährige überhaupt zur Übernahme des EU-Spitzenpostens bereit wäre. Erst im September hatte er von von der Leyen den Auftrag erhalten, einen Bericht über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit zu erstellen und seine Ideen über die künftige Entwicklung der Union darzulegen.

Draghi hatte sich kürzlich "besorgt" gezeigt, was die Zukunft Europas betrifft und betont, dass sich die EU in einem "kritischen Moment" befinde. "Unser bisheriges Wachstumsmodell hat sich aufgelöst. Wir müssen eine neue Art des Wachstums erfinden, aber dazu müssen wir ein einziger Staat werden. Der europäische Markt ist zu klein, es gibt viele Märkte, und deshalb ziehen die kleinen Unternehmen, die in Europa anfangen, oft in die USA, sobald sie wachsen, oder sie machen zu", erklärte der zwischen 2021 und 2022 als italienischer Regierungschef amtierende Draghi. Davor war er italienischer Notenbankgouverneur (2005-11) und EZB-Chef (2011-19). Durch seinen entschlossenen Kurs in der Eurokrise erwarb er sich großes politisches Ansehen.

Wie Draghi weiter sagte, beging die EU in den 1990er Jahren einen "kolossalen Fehler", als ihre Regeln nicht geändert wurden und alles so blieb wie zu den Zeiten, als die EU noch aus zwölf Mitgliedstaaten zusammengesetzt gewesen sei. "Alles ist in Europa zu sehr zersplittert. Selbst ganz einfache Dinge - und selbst die Regulierung des Binnenmarktes ist zersplittert", kritisierte er. Der gebürtige Römer beklagte, dass Europa an einer "Entscheidungsparalyse" leide. Diese Lähmung habe sich wegen der Europawahl im kommenden Frühjahr noch verschärft.

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