MAK zeigt Metallkunst aus der Werkstätte Hagenauer
Um 1900 habe es rund 170 metallverarbeitende Werkstätten alleine in Wien-Neubau gegeben, schilderte Kuratorin Ann-Katrin Rossberg bei der heutigen Presseführung. Wien baute und boomte und hatte Bedarf an Funktionalem wie an Schmückendem. "Man konnte dort vom Fingerring bis zum Fassadenschmuck alles bekommen", so Rossberg. "Die Palette war sehr groß." Die von dem Ziseleur und Gürtlermeister Carl Rudolf Hagenauer (1872-1928) 1898 gegründete Werkstätte, in der später seine an der Kunstgewerbeschule ausgebildeten Söhne Karl (1898-1956) und Franz (1906-1986) kräftig mitgestalteten, wurde bald zu einem der Marktführer und erweiterte durch das Engagement des Architekten Julius Jirasek (1896-1965) das Repertoire auch um Möbel.
In der schönen Ausstellungsgestaltung des Designstudios POLKA (Monica Singer und Marie Rahm), die auf ein überdimensionales Setzkasten-Regal ebenso setzt wie auf die Präsentation von originalen Archivladen, gewinnt man schon bald den Eindruck: Hier gab es nichts, das es nicht gab. Leuchten und Lampen, Kleiderständer und Servierwagen, Beschläge und Buchstützen, Schlüssel und Kleiderhaken, Zangen und Korkenzieher, Springbrunnen und Reliefs, Toilettetischchen und Vasen, Schmuck und Schmuckkassetten, Aschenbecher und Briefbeschwerer, Skulpturen und Tischuhren... Die Auswahl scheint endlos.
Zahllose Bronzeobjekte bildeten den "Nippes des Historismus" und zeigten Scheu weder vor Humor noch vor Kitsch. Es gibt herzige Dackel und Miniatur-Baseballspieler, eine ganze Jazzband in Kleinformat und Figuren mit afrikanischem Aussehen, die wie die "Mambo-Krieger" in den 1930ern an der Verfestigung von Klischeebildern in kolonialen und rassistischen Zusammenhängen mitarbeiteten.
Man sieht die entzückende Entwurfszeichnung zu Kühlerfigur "Ranunkel" aus 1927, die einem augenzwinkernden Science-Fiction-Film entnommen zu sein scheint, und das tatsächlich ausgeführte Metallobjekt; man sieht Zeichnungen und Fotos eines kunstvollen Heurigen-Wegweisers in Guntramsdorf der 1960er; man sieht Fotos der Balkongitter am Opernringhof nach Entwürfen von Carl Appel, der von Roland Rainer entworfenen Stadthallen-Garderoben oder der heute noch vor dem Parlament befindlichen Wappenadlern auf den Fahnenstangen an der Ringstraße - alles bei Hagenauer gefertigt.
Der Firmenkatalog von 1928 gab die Preise auch in Dollar an, und tatsächlich boomte auch der Export. Sogar die Filmindustrie wurde erobert. Im Film "Grand Hotel" mit Greta Garbo war 1932 eine Hagenauer-Tischlampe prominent im Bild, der Film "Arthur ou le Culte de la Beauté" von Léonce Perret (1931) verlieh überhaupt den Eindruck, "als hätte man für die Ausstattung das ganze Geschäft aufgekauft", wie die Kuratorin schmunzelnd erzählte.
Das MAK widmete bereits 1971 Franz Hagenauer eine große Ausstellung und kann für seine jetzige Schau auf große Teile des aus Geschäftsunterlagen, Fotos, Skizzen, Entwürfen, Modellen, Formen, Rohlingen und Halbfertigprodukten bestehenden Firmenarchivs zurückgreifen. Es wurde 2014 mit Unterstützung des Sammlers Richard Grubman bei einer Auktion aus der Hinterlassenschaft des letzten Firmeninhabers Franz Hagenauer erworben und seither durch Schenkungen seiner Tochter Caja Hagenauer noch erweitert.
Dass das Leopold Museum kürzlich dem Metallbildhauer Franz Hagenauer eine große Personale gewidmet habe, beweise "das ungebrochene Interesse an der Arbeit der Werkstätte Hagenauer", sagte MAK-Generaldirektorin Lilli Hollein. Und dass man im gleichen Stockwerk auch Plakat- ("100 beste Plakate 21") und Buchkunst ("Bilderbuchkunst - Das Buch als künstlerisches Medium") in aktuellen Ausstellungen besichtigen kann, zeigt das breite Angebot des Museums, das sich angewandter Kunst tatsächlich in seiner ganzen Vielfalt widmet.
(S E R V I C E - "Werkstätte Hagenauer. Wiener Metallkunst 1898-1987", Ausstellung im MAK, Wien 1, Stubenring 5, Eröffnung heute, 19 Uhr. 16.11.2022-3.9.2023, Di 10-21 Uhr, Mi bis So, 10-18 Uhr, www.mak.at)
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