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Lage in Mariupol angespannt - Ukraine fordert schwere Waffen

Angesichts der "unmenschlichen" Lage in der umkämpften Hafenstadt Mariupol hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr Unterstützung vom Westen gefordert.

Entweder die "Partner liefern der Ukraine sofort alle notwendigen schweren Waffen" oder sie unterstützten ihn bei den Verhandlungen über ein Ende der Belagerung, sagte Selenskyj in der Nacht auf Sonntag. Moskau rief die verbliebenen ukrainischen Kämpfer unterdessen zur Aufgabe auf. 

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Selenskyj will mit westlichen Kampfflugzeugen den "Druck auf Mariupol verringern und die Belagerung" aufbrechen. Der ukrainische Präsident räumte ein, dass die Suche nach einer "militärischen oder diplomatischen" Lösung der Situation "äußerst schwierig" sei.

Zuvor hatte Selenskyj gesagt, dass eine Tötung der verbliebenen ukrainischen Streitkräfte in Mariupol das endgültige Aus der Gespräche mit Russland bedeuten würde. Die Gespräche zwischen den Kriegsparteien hatten in den vergangenen Wochen keine Ergebnisse gebracht. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte gesagt, dass sie in einer "Sackgasse" angelangt seien.

Mariupol wird seit den ersten Tagen nach dem russischen Einmarsch am 24. Februar belagert. Inzwischen ist die einst über 400.000 Einwohner zählende Stadt im Südosten weitgehend zerstört, die humanitäre Lage ist katastrophal. Selenskyj sprach kürzlich von "zehntausenden" Toten durch die Belagerung. Am Samstag warf er Russland erneut vor, keine Fluchtkorridore zuzulassen.

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Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, dass die russischen Truppen die Kontrolle über das "gesamte Gebiet der Stadt" hätten. Das Ministerium fügte hinzu, dass die ukrainischen Truppen in einem Industriegebiet eingekesselt worden seien. Es forderte die Kämpfer auf, den Widerstand aufzugeben und das Gelände der Asowstal-Werke bis Sonntag 12.00 Uhr MESZ zu verlassen. "Ihre einzige Chance, ihr Leben zu retten, besteht darin, freiwillig die Waffen niederzulegen und sich zu ergeben", erklärte das Ministerium.

Selenskyj sagte ukrainischen Medien, dass die Ukraine sich darauf vorbereiten müsse, dass Russland im weiteren Verlauf des Konflikts Atomwaffen einsetzen könnte. Der ukrainische Präsident hatte bereits am Vortag gesagt, Russland könnte aus Verzweiflung über militärische Rückschläge Atomwaffen oder chemische Waffen einsetzen.

In Mariupol ist die Lage laut Selenskyj weiter äußerst ernst. Er beschuldigte Moskau, bewusst zu versuchen, alle Menschen dort auszulöschen. Selenskyj machte keine Angaben zur Situation der ukrainischen Streitkräfte in der Stadt. Es sei seit Beginn der Blockade kein Tag vergangen, an dem Kiew nicht nach einer Lösung gesucht habe - militärisch oder diplomatisch, "was auch immer, um die Menschen zu retten". Die Lösung zu finden sei allerdings sehr schwierig, es habe bisher noch keine einzige vollständig praktikable Option gegeben.

Unterdessen sind ukrainischen Angaben zufolge rund 1.450 Menschen am Samstag aus umkämpften Gebieten des Landes in Sicherheit gebracht worden. Etwa 1.380 Menschen kamen in der Stadt Saporischschja aus mehreren Städten im Süden und Osten des Landes an, darunter 170 aus der schwer umkämpften Hafenstadt Mariupol, teilte das Büro des Präsidenten am Samstag auf Telegram mit.

Aus drei Städten der Region Luhansk seien "unter andauerndem Beschuss" 68 Menschen geholt worden. Eine Evakuierung aus der Stadt Lyssytschansk in dem Gebiet sei aufgrund "massiven Beschusses" vereitelt worden.

Aus Moskau hieß es am Samstag, "trotz von Kiew verursachter Hindernisse" seien binnen 24 Stunden ohne Beteiligung der ukrainischen Behörden rund 15.800 Menschen aus gefährlichen Regionen der Ukraine und den Gebieten Donezk und Luhansk nach Russland evakuiert worden.

Die Ukraine und Russland werfen sich gegenseitig vor, die Flucht von Zivilisten über die täglich neu eingerichteten sogenannten humanitären Korridore zu sabotieren. Moskau hatte zuletzt erklärt, die Kampfhandlungen auf den Osten der Ukraine zu konzentrieren.