APA - Austria Presse Agentur

Mietervereinigung warnt vor Wohnungskrise und fordert Fonds

Die Mietervereinigung (MVÖ) hat von der Regierung am Donnerstag rasche Maßnahmen gefordert, um eine drohende Wohnungskrise zu verhindern. Damit viele Mieter nicht bald auf der Straße stehen, solle ein mindestens 100 Mio. Euro schwerer Fonds errichtet werden, ähnlich dem Härtefallfonds für Unternehmer. Weiters will die MVÖ das Aus für befristete Mietverträge und Hilfe für Geschäftsraummieter.

17.000 Anrufe verzeichnete die Mietervereinigung in der Coronazeit von Mitte März bis Mitte Juni, sagte MVÖ-Präsident Georg Niedermühlbichler (SPÖ). Die Regierung müsse leistbares Wohnen gewährleisten, nicht zuletzt weil die eigene Wohnung den besten Schutz vor einer Ansteckung biete.

Die bisher von der Regierung ergriffenen Maßnahmen zur Unterstützung von in Not geratenen Mietern, etwa die Möglichkeit der Mietstundungen, reichen aus Sicht der Mietervereinigung nicht aus. Wer seine Miete für April, Mai oder Juni schuldig blieb, müsse diese schließlich bis Jahresende nachzahlen, sonst können die Vermieter klagen. "Die Zahlungen sind mit vier Prozent Verzugszinsen versehen, was bedeutet, dass der Schuldenberg immer größer wird", gab die Wiener MVÖ-Landesvorsitzende Elke Hanel-Torsch zu bedenken.

Angesichts der prekären Lage vieler Mieter und ohnehin zu hoher Mieten - in Wien habe bereits vor der Krise jeder zehnte Mieter einer privaten Wohnung mehr als 50 Prozent des Einkommens für die Miete ausgegeben - brauche es einen bundesweiten "Sicher-Wohnen-Fonds". Bei diesem solle ein Antrag auf Übernahme des Mietzinses gestellt werden können, der Fonds soll in der Folge direkt an den Vermieter zahlen. Sobald ein Antrag gestellt wurde, solle der Vermieter den Mieter nicht mehr wegen Zahlungsrückstände kündigen dürfen, fordert die Mietervereinigung. Damit das nicht zu einer indirekten Vermieterförderung werde, sollten die Vermieter aber nur jenen Zins erstattet bekommen, der gesetzlich zulässig ist, so Hanel-Torsch.

Darüber hinaus setzt sich die Mietervereinigung für kleine Geschäftsraummieter ein. Derzeit gebe es für sie keine Rechtssicherheit. Die Regierung habe darauf verwiesen, dass Lokalbetreiber ohnehin das Recht hätten, während der Zwangsschließung keine Miete zu bezahlen. "Ganz so einfach ist das nicht", so Hanel-Torsch, denn einige hätten ihren Betrieb ja teilweise aufrechterhalten können, etwa für Lieferservices. Wegen der für Herbst erwarteten Insolvenzwelle wäre es geschickter, den Wohnfonds auch für Geschäftsraummieter zu öffnen, damit nicht jeder einzelne Lokalbetreiber einen Brief an seinen Vermieter schreiben müsse. Es wäre schade, wenn viele Geschäftsräume leer blieben oder große Ketten hineinkommen, so die MVÖ. Die ausgefallenen Geschäftsraummieten sollten sich die Vermieter direkt vom Staat holen können - aber nur, wenn sie in Not sind. "Ich glaube, dass bei den Immobilientycoonen viel Luft nach oben ist", so Niedermühlbichler. Große Immokonzerne, die den Großteil der Vermieter ausmachten, hätten in den vergangenen Jahren genug Gewinne gemacht und die Möglichkeit gehabt, Rücklagen zu bilden. Hanel-Torsch berichtete, dass jetzt in der Coronakrise private, kleine Vermieter ihren Mietern viel mehr entgegengekommen seien als große Konzerne.

Gerade die ÖVP, der der Unternehmergeist so am Herzen liege, solle sich für die kleinen Betriebe einsetzen, so Niedermühlbichler mit Bezug auf die Staatshilfe für die AUA und auch das Hilfsprogramm für Buchverleger, von dem Amazon am meisten profitiere. Das Gebot der Stunde sei es, kleinen und mittleren Unternehmern, die Tag für Tag im Geschäft stünden und vor der Krise nicht in Saus und Braus gelebt hätten, unter die Arme zu greifen. "Die Miete macht 25 Prozent vom Umsatz aus, mein Umsatz ist auf unter 30 Prozent gesunken", rechnete die Wiener Unternehmerin Patrice Fuchs vor.

Weitere, teils langjährige Forderungen der Mietervereinigung: Die Befristung von Mietverträgen - mittlerweile seien auf dem privaten Markt fast 70 Prozent der Verträge befristet - stoppen, denn trotz des verpflichtenden 25-Prozent-Abschlags würden befristete Wohnungen im Schnitt teurer vermietet als unbefristete. Zudem solle die Regierung ihr Vorhaben, dass die Maklerprovision der Vermieter zahlen muss, rasch umsetzen. Da die Mieten gerade in Wien explodierten, brauche es ein neues Universalmietrecht mit Mietobergrenzen und am liebsten einer gänzlichen Streichung der Lagezuschüsse, so Hanel-Torsch.