APA - Austria Presse Agentur

Mindestsicherung: Anschober berät mit Ländern Zukunftsmodell

Nach der Aufhebung von Teilen der Mindestsicherung herrscht Reformbedarf. Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) hat mit den Ländern zu klären, ob eine Bundesregelung mit den nicht gekippten Passagen kommt oder die Sozialleistung wieder zumindest teil-verländert wird. Die Tendenz geht in letztere Richtung. Mehr wissen könnte man am Abend nach einem Treffen des Ministers mit den Sozialreferenten.

Die Ausgangslage: Die Regierung aus ÖVP und FPÖ hatte die Mindestsicherung wieder zurück zur vom Bund gesteuerten Sozialhilfe gedreht und vor allem kinderreichen Familien und jenen mit schlechten Sprachkenntnissen etliche Einschnitte zugemutet. Der Verfassungsgerichtshof entschied allerdings im Dezember, dass sowohl die Verknüpfung mit Sprachkenntnissen als auch die neu gestalteten Höchstsätze für Kinder der Verfassung widersprechen. Die Richter urteilten etwa, "dass der notwendige Lebensunterhalt bei Mehrkindfamilien nicht mehr gewährleistet ist". Die Voraussetzung für den Vollbezug, Deutschkenntnisse auf Niveau B1 oder Englischkenntnisse auf Niveau C1 zu besitzen, wurde als unsachlich gekippt.

Das wirft nun unterschiedliche Probleme auf. So muss primär geklärt werden, ob die nicht aufgehobenen Teile, die ebenfalls Restriktionen enthalten, trotzdem gültig werden sollen. Umgesetzt hatten den türkis-blauen Vorschlag, der für die Länder eigentlich bindend gewesen wäre, bis zur Aufhebung nur Nieder- und Oberösterreich. Die anderen Länder warteten den Entscheid des Höchstgerichts ab.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) legte jüngst nahe, dass die Kompetenz wieder in die Hände der Länder wandern sollte. Auch Sozialminister Anschober zeigte vor kurzem im APA-Interview Tendenzen in diese Richtung. Damit wären die meisten Länder auch einverstanden, jedoch wollen sie zumindest eine Bund/Länder-15a-Vereinbarung, die Mindeststandards festlegt.

Es gelte, bei dem informellen Treffen zu einer gemeinsamen Interpretation des VfGH-Urteils zu kommen, meinte Vorarlbergs Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) zur APA. Denn abseits der beiden aufgehobenen Bestimmungen beschreibe das Urteil Spielräume für die Länder, die derzeit unterschiedlich verstanden würden. "Meine präferierte Version wäre, die Kompetenzen zurück an die Länder zu geben - mit der Bedingung einer 15a-Bund-Länder-Vereinbarung", so Wiesflecker, "denn Mindeststandards brauchen wir schon." Es sei richtig von Sozialminister Anschober, die Länder in der Frage zu hören, es müsse aber auch der Bund Vorschläge machen.

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) erklärte Mitte Jänner, Vorarlberg wolle sein immer wieder als vorbildlich gelobtes Mindestsicherungsmodell in der derzeitigen Form beibehalten. Ganz ähnlich sieht das Tirol, dessen geltendes Modell jenem im Nachbarland ähnelt. Die Landesregierung wolle bei der Umsetzung des Grundsatzgesetzes "möglichst nahe" am derzeitigen Modell der Mindestsicherung bleiben, sagte Soziallandesrätin Gabriele Fischer (Grüne). Die Umsetzung werde in den Abteilungen momentan geprüft, hieß es. Einen "neuen Lösungspfad" durch Anschober erwarte sie am Freitag aber nicht.

Das dritte westliche Bundesland, Salzburg, hatte zuletzt via Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) deponiert, dass es wieder Mindeststandards brauche, die bei der Sozialhilfe neu gestrichen und durch Höchstbeträge ersetzt worden seien. Spielraum zwischen den Ländern brauche es aber etwa wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen auf dem Wohnungsmarkt.

Unterschiede zwischen den Ländern, bedingt zum Beispiel durch unterschiedliche Wohnkosten, werde es geben müssen, stimmt mit der Kärntner Soziallandesrätin Beate Prettner (SPÖ) auch eine Sozialdemokratin zu. Bevorzugt würde von ihr eine weitgehende Harmonisierung der Mindestsicherung, am liebsten in Form einer 15-a-Vereinbarung Am Freitag will sich Prettner erst nun einmal Anschobers Vorstellungen anhören.

Die oberösterreichische Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) wäre einer bundeseinheitlichen Lösung gegenüber prinzipiell aufgeschlossen. Für sie hängt es aber davon ab, wie diese ausgestaltet ist, vor allem bei den Sätzen für die Kinder. Sollte man bundesweit eine einheitliche Lösung zustande bringen, müsste Oberösterreich, das ja bereits ein Ausführungsgesetz beschlossen hat, dieses wohl trotzdem interimistisch reparieren. Die SPÖ werde dazu am 30. Jänner im Landtag ihren Vorschlag einbringen, kündige Gerstorfer an.

Die steirische Sozialreferentin Doris Kampus (SPÖ), die sich zuletzt in Sachen Mindestsicherung bedeckt gehalten hatte, sagte am Donnerstag zur APA, es sei der Bund am Zug, für Klarheit zu sorgen. "Wir fahren mit Selbstbewusstsein zu dem Treffen der Referenten, denn in der Steiermark gibt es ein funktionierendes System." Es gelte, eine bundeseinheitliche Lösung zu finden, mit der Möglichkeit, länderspezifische Gegebenheiten zu berücksichtigen, sagte Landesrätin Kampus.

Aus der Reihe tanzt der zuständige niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ). Er zieht wie seine freiheitliche Bundespartei eine einheitliche Lösung einer Verländerung der Mindestsicherung vor. Er selbst sei nunmehr dabei, "mit den Verantwortlichen der ÖVP das niederösterreichische Gesetz anzupassen". Eine Überarbeitung des Ausführungsgesetzes solle "so schnell wie möglich erfolgen", betonte der Landesrat.

Apropos ÖVP, das Sozialreferententreffen wird schon daher wohl kaum ein endgültiges Ergebnis bringen, weil die Volkspartei dort nicht entsprechend repräsentiert ist. Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) wird also mit dem Koalitionspartner ein Einvernehmen suchen, nachdem er die Vorschläge der Länder am Tisch hat. Das Regierungsprogramm bietet da jedweden Spielraum. Denn die Mindestsicherung wird darin gar nicht erwähnt.

Immer im Zentrum steht Wien als Bundesland mit den mit Abstand meisten Mindestsicherungsbeziehern. Dort hatte der Bürgermeister persönlich die Linie für die anstehenden Verhandlungen vorgegeben. Geschaffen werden sollte ein bundeseinheitliches Gesetz, "das den Bundesländern allerdings einen Spielraum gibt - insbesondere bei der Abdeckung der Wohnkosten", erklärte Stadtchef Michael Ludwig (SPÖ) vergangene Woche.

Gewissheit herrschen könnte Anfang Februar. Denn da findet ein reguläres Treffen der Soziallandesreferenten statt.