Musiker Zanshin taucht mit "OK Ocean" ins Unbewusste ab

Gregor Ladenhauf hat für sein neues Album tief geschürft
Es ist ein Tauchgang der besonderen Art, den Gregor Ladenhauf aka Zanshin auf seinem neuen Album unternimmt: Das mehr als eineinhalbstündige "OK Ocean" präsentiert sich als Ambientreise in tiefste Tiefen, wobei der Wiener Musiker mit unglaublich vielen Schichten in den 16 Tracks arbeitet. Das Meer habe "so viele Facetten, es kann supersoft sein, aber auch supergewalttätig", so Ladenhauf, der es auch als Metapher passend finde: "Eben Dinge, die unter der Oberfläche sind."

Wie stark das Unbewusste im Kreativprozess abgebildet wird, lässt sich natürlich schwer sagen. Seinen Ausgangspunkt hatte das neue Material jedenfalls in einem Unfall vor acht Jahren, als sich Ladenhauf das Schlüsselbein gebrochen hat. "Es war ein September, es war drückend heiß, und ich bin bewegungslos auf der Couch gesessen", erinnerte er sich im APA-Interview. "Ich habe nichts bedienen können außer ein iPad. Also habe ich Miniskizzen gemacht. Und weil ich zu dieser Reduktion gezwungen war, sind ganz viele entstanden."

Über die Jahre habe er die Entwürfe dann immer wieder zur Hand genommen und weiter bearbeitet, bis letztlich das Album fertig war. "Rückblickend ist es lustig, wie etwas aus einem Unfall entstehen kann." Das Wasserthema habe sich zwar erst mit der Zeit herauskristallisiert, aber noch mit Verband für das gebrochene Schlüsselbein sei er damals auf Urlaub gefahren und im Meer geschwommen. "Es war total schön zu merken: Okay, der Körper funktioniert wieder und das Wasser hilft einem dabei. Dieser heilende Moment hat gut hineingespielt."

Als "Binnenlandbewohner" habe er immer schon eine besondere Beziehung zum Meer gehabt. "Ich habe ja diese naive, romantische Meeressehnsucht." Erst mit 18 Jahren sei er erstmals im Meer geschwommen, "das war sehr speziell", schmunzelte Ladenhauf, der auch Teil der Formation Ogris Debris ist. "So ist es immer noch. Jedes Mal, wenn ich am Meer bin, koste ich das bis zum letzten Moment aus und versuche, dieses Gefühl einzuspeichern. Gleichzeitig gibt es eine Furcht oder zumindest Respekt vor diesem Riesending. Wenn ich wo schwimme, wo es ganz dunkel ist, bekomme ich richtig Herzrasen. Vielleicht zu viel Lovecraft gelesen", lachte er. "Es ist eine ganz schräge Ambivalenz."

Musikalisch drückt sich das auf "OK Ocean" auf vielfältige Weise aus: Meist beginnen die Nummer mit recht einfachen Sequenzen, die sich sukzessive weiterentwickeln. So entstehen hypnotische Strukturen, in denen es knackt und fiept, die aber auch mit feiner Melodik und allen voran flächigen Arrangements bestechen. Wieder und wieder nimmt Zanshin die Hörerschaft mit, lässt sie über pulsierende Unterwasserlandschaften fliegen, um sie im nächsten Moment an die Oberfläche zu holen und dort im warmen Sonnenschein im Wasser treiben zu lassen.

Natürlich sind auch finstere Abschnitte dabei, was erneut die vielfältige Emotionslage unterstreicht. Schließlich gehe es auch "um die große Verschmutzungsthematik und die Frage, was wir mit all dem anstellen, wo wir eigentlich herkommen". Nicht nur deshalb sei es interessant, die eigenen Ängste "heranzulassen", wie es Ladenhauf ausdrückt. "Man kann sie schließlich nur bearbeiten, wenn man sich derer bewusst wird." So entstünden neue Blickwinkel: "Die Gefahr eines Haiangriffs ist ja so gering, dass es eigentlich eine irrationale Angst ist. Aber wovor habe ich dann Angst?" Schließlich sei das Meer "dieses schöne große Medium, in dem das Leben entstanden ist".

Als Musiker ist es ihm ein Anliegen, Alben mit "Tiefenlernwert" anzubieten. "Das mag ich auch als Hörer selbst. Beim ersten Mal spricht es dich an, aber du kannst es noch nicht ganz verstehen. Dann kommen immer neue Details raus." So habe man die Wahl, "entweder auf Details zu fokussieren oder das große Ganze ungefiltert wirken zu lassen". Ein bisschen stehe "OK Ocean" damit in der Tradition von Erik Satie und seiner Musique d'ameublement: "Sie hat nicht nur vordergründigen Charakter, sondern kann einfach auch eine Klangtapete sein. Es war mir ein Anliegen, dass es beide Möglichkeiten gibt." Für sein Publikum sei es nicht zuletzt live "eine Einladung, die Zeitwahrnehmung aufzugeben". Diese Gewässer haben in jedem Fall viel zu bieten.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

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