APA - Austria Presse Agentur

Musikerin Violetta Parisini ist "unvernünftig optimistisch"

Vor zwei Jahren hat Violetta Parisini mit dem Album "Alles bleibt" ihr deutschsprachiges Musikdebüt vorgelegt. Eine Pandemie später, gibt es nun neue Songs von der Wiener Liedermacherin zu hören: Für die EP "unter Menschen" ist sie "eine Schicht tiefer gegangen", wie sie im Hinblick auf die Texte sagt. Zunächst habe sie eine für sich "neue Sprache" erfunden. "Und wie es beim Sprachenlernen so ist: Jetzt kann ich sie besser", lachte die Musikerin.

Geholfen habe dabei, dass sie in den vergangenen Monaten auch viel live gespielt habe. "Da spürt man dann so stark, wie die Worte, die man ausspricht oder singt, resonieren in den Menschen", so Parisini im APA-Interview. "Man bildet eine Intuition aus, das hilft dann wieder beim Schreiben von neuen Texten und Liedern." Dabei kann es von erster Idee bis zum fertigen Song durchaus dauern und landen Entwürfe schon mal in der Schublade, um sie später wieder zu überarbeiten. Letztlich sei diese Arbeit ein "Wechselspiel aus bewussten Gedanken und Intuition, die sich formt, während ich mach, was ich mach".

Dass sich ihre Lieder im Unterschied zu ihren ersten beiden, noch auf Englisch veröffentlichten Alben nun vom Publikum besser dechiffrieren lassen, sei durchaus "beängstigend", schmunzelte Parisini. Was man von sich persönlich verrate, bleibe aber eigentlich eine "nachgelagerte" Frage. "Da geht es dann eher darum, ob ich einen Song auch veröffentliche oder nicht. Bisher war es aber noch nicht der Fall, dass ein Song zu intensiv oder zu intim war, um ihn zu veröffentlichen." Sie habe eine gewisse Gelassenheit entwickelt, "weil ich eine große Verfechterin von Ehrlichkeit bin. Ich habe das Gefühl: Wenn ich der Welt nicht ehrlich begegnen kann und ehrlich sagen kann, was mich wirklich bewegt, dann muss ich eigentlich gar nicht erst den Mund aufmachen."

Die Gefühle, um die es im Kern geht, seien ohnehin "universell", nickte die Musikerin. "Über die möchte ich unbedingt reden, auch wenn sie an mir rütteln." Das sei nun auch bei den fünf Stücken von "unter Menschen" der Fall. "Natürlich ist jede Lebensgeschichte einzigartig, aber die Gefühle, die uns bewegen, sind erstaunlich ähnlich. Ich wollte Lieder schreiben, die es den Menschen ermöglichen, sich zu spiegeln, ohne, dass die Individualität weggenommen wird. Wir sind alle anders und in unserer Andersheit so unfassbar ähnlich, dass es erschreckend ist - was auch sehr schön sein kann, weil es tröstlich ist zu wissen, dass es den anderen so gehen kann, wie es einem geht."

Musikalisch zeigt sich Violetta Parisini, die allen voran von ihrem Partner Sixtus Preiss unterstützt wurde, nochmals deutlich fokussierter als auf "Alles bleibt". Stimme und Klavier bilden das Grundgerüst, aber auch Streicher und Percussions spielen in den sich stetig steigernden Liedern eine wichtige Rolle. "Es fehlt einfach nichts", zeigte sich die Musikerin überzeugt vom Endergebnis. "Man hat nicht das Gefühl, dass es reduziert ist, es ist das ganze Spektrum anwesend." Nummern wie "Wie hörst du" oder "Noch nicht schlafen" wandeln sich zum Ende hin gar vom pointierten Singer-Songwriter-Pop zu wunderbaren Soulstücken mit dezentem Groove.

Was aber macht die Musikerin und Texterin, die sich auch auf ihrem Blog wortreich an ihre Fangemeinde wendet, wenn sich mal Wortlosigkeit einstellt? "Ich gehe auf die Suche nach Worten, weil das mein erster Ausdruck ist. Und gleichzeitig versuche ich auch, nichts zu sagen, wenn ich nichts zu sagen habe. Was sehr, sehr schwer ist. Ich lerne zu schweigen", lachte Parisini. "Wenn mir die Worte fehlen, dann einfach mal die Klappe halten und nachdenken. Oder auch nachspüren. Ich denke sehr emotional, das fühlt sich auch richtig an. Es war für mich so besonders, diese deutsche Sprache, die ich jetzt singen kann, zu finden. Dass die Gedanken emotionale Logiken haben und dadurch auch eine Poesie."

Mit "Alles bleibt" hat Parisini 2020 einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt getroffen, ist ihr Album doch nur wenige Tage vor dem ersten harten Lockdown erschienen. Monatelang waren kaum Auftritte möglich. "Wie oft bin ich in dem Jahr dagesessen: Bin ich eigentlich völlig verrückt, dass ich mir das antue? Warum mache ich das? Man zweifelt an der eigenen Vernunft manchmal", überlegte Parisini, um lachend nachzulegen: "Aber ich bin unvernünftig optimistisch." Am 25. November stellt sie mit Band die neuen Lieder in der Wiener Sargfabrik vor. "Livespielen ist die Verwirklichung von allem, was ich getan, geschrieben, geplant habe." Konzerte seien natürlich auch intensiv, "aber es strengt mich mittlerweile weniger an, weil ich gelernt habe, diese Gefühle besser in Bahnen zu lenken. Ich kann souveräner damit umgehen, wobei ich das eigentlich gar nicht sagen will. Aber der Boden, auf dem ich stehe, ist fester."

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - https://violettaparisini.at)