APA - Austria Presse Agentur

Mutmaßlich islamistischer Anschlag auf Berliner Autobahn

Der mutmaßliche Anschlag auf der Stadtautobahn der deutschen Hauptstadt Berlin ist nach Einschätzung der Behörden vom Mittwoch islamistisch motiviert gewesen. Der mutmaßliche Täter, ein 30-jähriger Iraker, hatte mit seinem Auto am Dienstagabend mehrfach Fahrzeuge gerammt und sechs Menschen verletzt, drei davon schwer.

Der mutmaßliche Angreifer habe "quasi Jagd" auf Motorradfahrer gemacht, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. Getroffen hat er zwei Motorradfahrer und einen Rollerfahrer. Die Motorradfahrer und ein Auto seien gerammt worden, ein weiterer Wagen gestreift worden. Die Kollisionen seien als gezielte Anschläge zu werten. "Aufgrund der Umstände gehen wir nicht von einem zufälligen Unfallgeschehen aus", hieß es. Ein Motorradfahrer habe schwerste Verletzungen an Kopf und Wirbelsäule erlitten. Der Verdächtige wurde festgenommen.

"Nach jetzigem Stand der Erkenntnisse gehen wir von einem islamistischen Anschlag aus", sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel. Es gibt aber auch "Hinweise auf eine psychische Labilität", wie die Berliner Generalstaatsanwaltschaft und die Polizei mitteilten.

Der Verdächtige ist laut Staatsanwaltschaft in Deutschland geduldet, darf also bis auf Weiteres nicht abgeschoben werden. Nach Angaben aus Berliner Senatskreisen kam er als Asylbewerber ins Land, sein Asylantrag wurde allerdings abgelehnt. Demnach war zunächst noch unklar, wann er nach Deutschland kam. Nach Fotos von seinem Facebook-Profil war er mindestens 2016 schon in Berlin. Die Facebook-Seite ist inzwischen gesperrt.

Er hatte die Zusammenstöße am Dienstagabend gegen 18.30 Uhr an drei Stellen auf der Stadtautobahn am südwestlichen Rand der Innenstadt verursacht. Ob weitere Personen in den Anschlag verwickelt gewesen seien, werde untersucht, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. "Wir werden jeden Stein umdrehen." Gegen den Iraker werde wegen versuchten Mordes in mehreren Fällen ermittelt. Warum er es auf Motorradfahrer abgesehen hatte, war zunächst unklar.

Laut Polizei hatte der Verdächtige eine vermeintliche Munitionskiste dabei. Als er gestoppt wurde, habe er angekündigt, in der Kiste befände sich ein "gefährlicher Gegenstand", teilte eine Polizeisprecherin mit. Das bewahrheitete sich nicht: Die Kiste enthielt nach Angaben der Polizei lediglich Werkzeug. Sprengstoffspuren seien im Auto nicht gefunden worden.

Anhaltspunkte für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sahen Generalstaatsanwaltschaft Berlin und Polizei nicht. Aus Sicherheitskreisen erfuhr die Deutsche Presse-Agentur, dass der Iraker in Kontakt gestanden habe zu einem als Gefährder bekannten Islamisten. Beide sollen im vergangenen Jahr vier Monate lang in der gleichen Flüchtlingsunterkunft gewohnt haben.

Der Berliner "Tagesspiegel" berichtete, der Gefährder werde dem Spektrum der Terrormiliz Islamischer Staat zugeordnet. Die unter anderem für Terrorismus zuständige Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ließ sich über die Entwicklungen informieren. "Wir stehen im ständigen engen Austausch mit den ermittelnden Behörden in Berlin", sagte ein Sprecher auf Anfrage.

Der 30-Jährige sollte einem Haftrichter vorgeführt werden, der über den Erlass eines Haftbefehls wegen versuchten Mordes entscheiden sollte. Eine Ermittlungsgruppe "Motorrad" wurde gegründet. Der für politisch motivierte Taten zuständige Staatsschutz der Kriminalpolizei ermittelt.

Die Kollisionen des Autofahrers mit anderen Fahrzeugen seien als vorsätzliche Angriffe zu werten, hieß es in der Mitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei. "Es handelt sich nach dem derzeitigen Ermittlungsstand um gezielte Angriffe vor allem auf Motorradfahrer mit zum Teil schwerwiegenden Folgen. Äußerungen des Beschuldigten nach seinen Tathandlungen legen eine religiös-islamistische Motivation nahe."

Berlins Innensenator Geisel sagte dazu: "Wenn ein Auto gezielt auf Motorradfahrer auffährt, haben diese keine Chance." Unbeteiligte Menschen seien "aus dem Nichts heraus Opfer einer Straftat geworden". Unter den drei Schwerverletzten sei auch ein Feuerwehrmann, der auf dem Heimweg war. "Die gestrigen Ereignisse zeigen uns sehr schmerzhaft, wie verletzlich unsere freie Gesellschaft ist." Der Regierende Bürgermeister Michael Müller zeigte sich in einer Botschaft auf Twitter schockiert und wünschte den Opfern schnelle Genesung.

Vor der Tat veröffentlichte der mutmaßliche Fahrer im Internet Hinweise auf die geplante Tat. Auf seiner Facebook-Seite postete der Iraker Fotos des Autos, mit dem er später absichtlich mehrere Fahrzeuge rammte, sowie religiöse Sprüche, in denen auch das Wort "Märtyrer" vorkommt. Auf den Fotos ist das Berliner Kennzeichen des schwarzen Wagens zu erkennen, der Stunden später schwer beschädigt auf der Autobahn stand. Nach Angaben auf seinem Facebook-Profil studierte der mutmaßliche Täter Design. Er postete dort im März 2015 ein Foto vom Abschlusstag an einer irakischen Kunstakademie.