Nationalratswahl 2024: Was war zentrales Wahlmotiv?
Die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten sind bei der Nationalratswahl am Sonntag über die Parteien hinweg kein zentrales Wahlmotiv gewesen. Im Vordergrund standen vielmehr Inhalte. Bei ÖVP und SPÖ war auch das Motiv der Stammwählerschaft noch Grund für die Entscheidung an der Urne, wie eine Wahlumfrage von ORF/FORESIGHT/ISA ergab. Insgesamt sei die Wahl im Zeichen der Unzufriedenheit und dem Wunsch nach Veränderung gestanden.
Befragte orteten negative Entwicklung Österreichs
Für fast 57 Prozent der Befragten hat sich Österreich seit der Nationalratswahl 2019 eher negativ entwickelt, das sind fast doppelt so viele wie im Vergleich zu Nationalratswahl davor. Nur für 13 Prozent nahm das Land eine eher positive Entwicklung, gut ein Viertel nahm keine Veränderung wahr. Wähler der Oppositionsparteien sahen die Entwicklung naturgemäß deutlich kritischer, vor allem die Wähler der Freiheitlichen, wo mehr als vier von fünf Befragten eine negative Entwicklung orteten. Mehr als sechs von zehn Befragten bewerteten zudem die Arbeit der Bundesregierung als schlecht.
Der FPÖ ist es laut den Meinungsforschern von Foresight bei dieser Wahl auch am besten gelungen, diese Stimmung in Wählerstimmen umzusetzen. 42 Prozent jener, die die Entwicklung Österreichs negativ beurteilen, haben die FPÖ gewählt. Die gleiche Wahlentscheidung trafen 44 Prozent jener Befragten, die mit der Bundesregierung unzufrieden waren. Im Vordergrund der freiheitlichen Aufmerksamkeit standen die Themen Teuerung und Zuwanderung. Gefragt nach ihrem Hauptmotiv für die Wahl, nannten über vier von zehn Personen die Inhalte der Partei, wobei 67 Prozent das Thema Zuwanderung im Wahlkampf "sehr häufig" diskutiert haben, noch vor der Teuerung sowie Sicherheitsthemen wie Kriminalität und Terror.
Rund sieben von zehn ÖVP-Wählerinnen und -Wählern waren mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden. Als wichtigstes Wahlmotiv nannten sie die bisherige Arbeit der Partei, Inhalte, das Stammwählermotiv und die Interessensvertretung. Im Wahlkampf diskutierten sie besonders häufig über Zuwanderung, Gesundheit und Pflege, die Erhaltung unserer Demokratie und die Teuerung.
Wahlmotive der SPÖ-Wähler:innen
Sieben von zehn Wählerinnen und Wählern der SPÖ sahen die vergangene Bundesregierung negativ. Als wichtigste Wahlmotive nannten 29 Prozent Inhalte, 18 Prozent das Stammwählermotiv und 12 Prozent die Interessensvertretung. Im Wahlkampf diskutierten sie vor allem über Teuerung, gefolgt von der Erhaltung unserer Demokratie gleichauf mit Gesundheit und Pflege, sowie der Schere zwischen Arm und Reich.
Über sechs von zehn NEOS-Wählerinnen und -wähler sahen die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre negativ. Wichtigste Wahlmotive waren Inhalte (46 Prozent), die Glaubwürdigkeit der Partei (12 Prozent) sowie die Interessensvertretung (11 Prozent). Inhaltlich diskutierten sie im Wahlkampf über eine breite Palette von Themen: Teuerung, Wirtschaft und Budget, Bildung, Sicherheitsthemen, Krieg, die Erhaltung der Demokratie sowie Gesundheit und Pflege.
Auch zwei Drittel der Grünwählerinnen und -wähler waren mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden. Rund sechs von zehn nannten als wichtigstes Wahlmotiv die Inhalte, weit vor der Interessensvertretung. Im Wahlkampf diskutierten sieben von zehn "sehr häufig" über Umwelt- und Klimaschutz, die Ursachen und Folgen des Hochwassers, die Erhaltung unserer Demokratie und Gesundheit und Pflege.
Die Kritik an Parlament und Parteien ist laut der Umfrage im Vergleich zur Wahl 2019 weiter angewachsen. Es findet sich eine Mehrheit, die sagt, dass das Parlament die verschiedenen Meinungen und Interessen nicht gut abbildet. Immerhin knapp ein Drittel meint, die Parteien möchten ohnehin nur die Wählerstimmen und interessieren sich nicht für die Anliegen der Menschen. Trotzdem bleibt das grundsätzliche Bekenntnis zur Demokratie stark: Fast neun von zehn stimmten der Aussage zu, dass Demokratie besser als jede andere Regierungsform ist.
Welche Regierung wollen nun die Wähler:innen?
60 Prozent aller Befragten wünschen sich die ÖVP und 48 Prozent die SPÖ in der nächsten Regierung. Auf den Plätzen folgen die FPÖ mit 37 Prozent, die NEOS mit 33 Prozent und die Grünen mit 27 Prozent. Die Befragten wurden dabei gebeten, zumindest zwei Parteien zu nennen, die sie gerne in der nächsten Regierung sehen würden.
Wie die Konstellation aber genau aussehen soll, darüber gehen die Meinungen auseinander. Wähler der FPÖ haben laut Foresight eine klare Präferenz für eine Koalition mit der ÖVP. Über 60 Prozent können sich das vorstellen, immerhin 17 Prozent noch mit der SPÖ. Wähler der ÖVP wünschen sich vor allem NEOS (40 Prozent) und SPÖ (39 Prozent), aber nur knapp ein Viertel (26 Prozent) sind für eine Koalition mit der FPÖ. Was auffällt: Nur jeder Fünfte würde die Arbeit mit dem bisherigen Regierungspartner, den Grünen, fortsetzten. SPÖ-Wähler wünschen sich am häufigsten eine Zusammenarbeit mit der ÖVP (46 Prozent) gefolgt von NEOS (35 Prozent) und Grünen (34 Prozent).
Nach Geschlecht gab es bei dieser Wahl laut Foresight nur geringe Unterschiede. Unter älteren Wählerinnen und Wählern (60+) schnitten ÖVP und SPÖ verhältnismäßig stärker ab, unter jüngeren (bis 34 Jahre) NEOS und Grüne. Die FPÖ erzielte ihr stärkstes Ergebnis mit 37 Prozent in der Altersgruppe der 35-59-Jährigen. Personen ohne Matura wählten bei dieser Wahl überdurchschnittlich FPÖ, unter Personen mit Matura oder höherem Bildungsabschluss schnitten Grüne, NEOS und ÖVP überdurchschnittlich gut ab. Hätten bei dieser Wahl nur Pensionistinnen und Pensionisten gewählt, läge die ÖVP mit 39 Prozent vor SPÖ und FPÖ.
Für die Umfrage wurden von 23. bis 28. September 1.248 wahlberechtigte Personen online und telefonisch befragt.
Kommentare