APA - Austria Presse Agentur

NATO-Gipfel beschäftigt sich mit Bedrohungspotenzial Chinas

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat beim Gipfel in Watford bei London verteidigt, dass sich das Militärbündnis erstmals in seiner Geschichte mit dem Bedrohungspotenzial Chinas beschäftigt. "China ist jetzt das Land auf der Welt, das nach den USA am meisten Geld für Verteidigung ausgibt", sagte Stoltenberg am Mittwoch zum Auftakt des zweiten Gipfeltages.

Zudem habe es zuletzt neue moderne Fähigkeiten vorgestellt, zu denen auch Atomwaffen zählten. Der Aufstieg Chinas stelle sowohl Chancen als auch Herausforderungen dar, sagte Stoltenberg. Damit müssten sich die Bündnispartner nun gemeinsam beschäftigen.

Zu den weiteren Themen bei einer rund dreistündigen Arbeitssitzung werden nach Angaben von Stoltenberg die Beziehungen der NATO zu Russland, Rüstungskontrolle sowie die Bemühungen um eine fairere Lastenteilung innerhalb des Bündnisses sein.

Überschattet wird der Gipfel allerdings von Ärger über Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Dieser hatte das Bündnis jüngst als hirntot bezeichnet. Stoltenberg wies die Kritik Macrons am Mittwoch erneut zurück. Es sei nicht richtig, dass das Bündnis hirntot sei, sagte Stoltenberg. Die NATO sei die erfolgreichste Allianz der Geschichte. US-Präsident Donald Trump hatte am Dienstag empört reagiert und Macrons Äußerung als "sehr respektlos" und "sehr beleidigend" bezeichnet.

Zu Drohungen der Türkei, eine Weiterentwicklung von NATO-Verteidigungsplänen für Osteuropa zu blockieren, um im Gegenzug mehr Unterstützung von Bündnispartnern im Kampf gegen militante Kurdenmilizen zu bekommen, äußerte sich Stoltenberg gelassen. "Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden werden", sagte der Norweger. Er habe das Thema gestern Abend mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan diskutiert und es werde zurzeit weiter daran gearbeitet.

Frankreich hatte zuvor die Befürchtung geäußert, dass Erdogan den Gipfel "als Geisel" nehmen könnte.

Erdogan hatte am Dienstag mit der Blockade von Beschlüssen gedroht, wenn die NATO-Mitgliedstaaten die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien nicht als "Terrororganisation" einstuften. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel, Macron und der britische Premier Boris Johnson hatten darauf bei einem Vierertreffen mit dem türkischen Präsidenten versucht, die Lage zu entschärfen.

Aus der französischen Regierung hieß es aber danach, es bestehe weiter die Gefahr, dass Erdogan Beschlüsse blockiere. Nach türkischen Medienberichten hat die Türkei bereits ein Veto gegen die weitere Verstärkung der NATO-Verteidigung in den baltischen Staaten und Polen gegenüber Russland eingelegt.

Stoltenberg betonte, die NATO habe Pläne umgesetzt, um alle NATO-Alliierten zu schützen und bereits Kampftruppen im Baltikum und Polen. Er sei "zuversichtlich, dass wir in der Lage sein werden, eine Lösung zu finden", sagte er mit Blick auf die Überarbeitung der Verteidigungspläne für die Region.

Der Gipfel zum 70. Gründungsjahr der NATO hatte am Dienstagabend mit einem Empfang bei der britischen Königin Elizabeth II. begonnen. Am Mittwoch wollen die Staats- und Regierungschefs unter anderem den Weltraum zum militärischen Einsatzgebiet erklären und eine Zwischenbilanz zur von US-Präsident Trump geforderten Steigerung der Verteidigungsausgaben ziehen.

Der britische Premierminister Boris Johnson betonte die Bedeutung der Geschlossenheit der NATO. "Es ist sehr wichtig, dass die Allianz zusammensteht", sagte Johnson am Mittwoch vor der Arbeitssitzung der 29 Staats- und Regierungschefs des Verteidigungsbündnisses in Watford bei London.

Die Sicherheitsgarantie "alle für einen, einer für alle" funktioniere, betonte Johnson. Bei Gesprächen am Dienstag sei es um die Zukunft der NATO und die Situation in Syrien gegangen. Zum türkischen Vorgehen in Nordsyrien, das bei den NATO-Partnern auf fast einhellige Kritik gestoßen war, habe es eine "sehr gute" Diskussion gegeben, sagte der Regierungschef.

Johnson hat sich als Gastgeber des Spitzentreffens zum 70. Bestehen der Allianz bisher im Hintergrund gehalten. Auf die Frage eines Journalisten, warum der Premier offensichtlich nicht mit US-Präsident Donald Trump abgelichtet werden wollte, reagierte Johnson ausweichend: Er werde sich mit jedem möglichen Staatschef fotografieren lassen. Vor dem Gipfel hatte Johnson Trump vor Einmischung in den Wahlkampf in Großbritannien gewarnt. Dort wird kommende Woche (12. Dezember) ein neues Parlament gewählt.