APA - Austria Presse Agentur

NATO-Mitgliedschaft Österreichs? Nur mit Bedingungen

Die NATO will nicht aktiv um Österreich werben, sondern pocht auf Beitrittskriterien. Das Bündnis stehe europäischen Ländern offen, "wenn sie zur europäischen Sicherheit beitragen und es Konsens (unter den NATO-Staaten) gibt"

Dies sagte die stellvertretende NATO-Generalsekretärin Baiba Braže am Freitag in einer Podiumsdiskussion in Wien. Die NATO verlange nichts von Österreich. "Es liegt an den Österreichern, über ihre eigene Zukunft zu diskutieren und zu entscheiden."

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"großartiger Partner im Rahmen von Operationen"

Österreich sei zwar ein "angesehenes Land" und ein "großartiger Partner im Rahmen von Operationen", doch wäre eine Mitgliedschaft im Bündnis etwas anderes, sagte die lettische Diplomatin. Außerdem sei das Bündnis derzeit "ziemlich beschäftigt" mit den aktuellen Beitrittsländern Schweden und Finnland.

Der schwedische NATO-Botschafter Axel Wernhoff erläuterte in der Diskussion, warum sich das skandinavische Land so rasch nach Beginn des Ukraine-Kriegs für einen NATO-Antrag entschieden habe. Schweden habe in seiner Geschichte 18 Kriege gegen Russland geführt, und das Militär sei zur Einschätzung gelangt, "dass wir einen russischen Militärangriff nicht alleine bewältigen könnten". Die Alternative zu einem NATO-Beitritt sei gewesen, die Militärausgaben massiv zu erhöhen, um dem Aggressor zumindest einige Monate standhalten zu können.

Wernhoff wies darauf hin, dass sich Finnland und Schweden schon nach der Krim-Annexion im Jahr 2014 zu einer "erweiterten Kooperation" mit der NATO entschlossen hätten, die etwa auch eine komplette Anpassung an die Standards des Bündnisses vorsah. Bei seinen regelmäßigen Besuchen in Stockholm habe er jeweils die logische Frage einer Vollmitgliedschaft thematisiert. Doch der Verteidigungsminister habe ihm geantwortet: "Ich verstehe das Argument, aber sobald wir über die NATO-Mitgliedschaft sprechen, ist die ganze Sache vorbei." So habe man die Annäherung fortsetzen können. "Als die Krise begann, war die Frucht sehr reif und fiel einfach runter."

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Österreichische Neutralität?

Die Diskussion wurde von der slowenischen Botschaft veranstaltet, die als "Kontaktpunkt" die Interessen des Verteidigungsbündnisses in Österreich wahrnimmt. Der slowenische Botschafter Aleksander Geržina stellte in seinem Einleitungsstatement in Anlehnung an den früheren Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) die Frage, ob die österreichische Neutralität "eine alte Mozartkugel" sei oder es in der heutigen Zeit andere Optionen für die österreichische Sicherheitspolitik gebe.

Der frühere Spitzendiplomat Thomas Mayr-Harting gab einer NATO-Beitrittsdiskussion in Österreich wenig Chancen. "Es hat keinen Sinn, eine Neutralitätsdiskussion zu beginnen, weil wir alle wissen, in welche Richtung das gehen würde", sagte der frühere Politische Direktor im Außenministerium und spätere EU-Spitzendiplomat. In den 1990er Jahren sei die österreichische Sicherheitsdebatte "viel offener" gewesen als heute "und wir haben Optionen diskutiert, die viel weiter gingen". Heute würde Österreich sogar von der Schweiz überholt, die aktuell über eine engere Kooperation mit der NATO einschließlich gemeinsamer Trainings diskutiere. Mayr-Harting plädierte vor diesem Hintergrund dafür, die Möglichkeiten zu nützen, die die "Partnerschaft für den Frieden" (PfP) mit der NATO biete.

Klar gegen die in der österreichischen Diskussion immer wieder propagierte eigenständige EU-Verteidigungspolitik positionierte sich Wernhoff. "Wir wollen keine Doppelgleisigkeiten", betonte er. Außerdem gehe 80 Prozent des militärischen Potenzials der NATO auf das Konto von Nicht-EU-Mitgliedern, sagte er mit Blick auf die USA, Großbritannien und die Türkei. Eine eigenständige EU-Verteidigungspolitik wäre also mit "enormen Aufwendungen und einer Ausweitung von Ausgaben verbunden".

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Regierungswechsel in Schweden

Der schwedische NATO-Botschafter zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Türkei an die Vereinbarung beim Madrider NATO-Gipfel halten und den Beitritt seines Landes ratifizieren werde. Kein Problem sei der erwartete Regierungswechsel in Schweden, da die Madrider Vereinbarung auch von der konservativen Opposition mitgetragen worden sei. "Es ist wichtig, dass diese Grauzone so schnell wie möglich verschwindet", drängte Wernhoff auf einen raschen Abschluss des Ratifizierungsprozesses.

Weitgehend einig waren sich die drei Diskutanten darin, dass der russische Aggressionskrieg die Sicherheitslage in Europa massiv verändert hat. "Es ist schwer zu sagen, was auf dem Schlachtfeld (in der Ukraine) passieren wird, aber Russland wird nicht verschwinden", sagte Wernhoff. "Das beste Szenario ist ein neuer Kalter Krieg mit Russland." Mayr-Harting verwies darauf, dass man sich nun wieder mit konventioneller Kriegsführung auseinandersetzen müsse und stellte rhetorisch die Frage, "wie viele der 67 österreichischen Kampfpanzer einsatzfähig sind". Braže betonte, dass militärische Verteidigung nicht ausreiche. Angesichts von neuen Formen der Kriegsführung wie Cyberattacken müssten sich auch Bürger und Unternehmen an der Sicherheitspolitik beteiligen. "Es gibt Dinge, die wir nicht einfach an die Regierungen oder Armeen delegieren können", nannte Braže konkret etwa auch die Notwendigkeit, demokratische Institutionen zu stärken.