NEOS-Chef zu Koalition: "Sind noch weit entfernt vom Ziel"

Die NEOS halten nach der Wien-Wahl bei acht Mandaten
In Wien führen SPÖ und NEOS aktuell Koalitionsgespräche. Wiens NEOS-Parteiobmann Christoph Wiederkehr hat sich nun erstmals zu den laufenden Verhandlungen geäußert.

Diese würden gut laufen, es gebe aber noch wichtige Punkte zu klären, versicherte er im Interview mit der APA. "Wir verhandeln jetzt seit zehn Tagen sehr hart und konstruktiv. Wir sind noch weit entfernt vom Ziel, sind aber intensiv am Diskutieren, am Verhandeln und treffen uns in Untergruppen täglich." "Wir haben vereinbart, dass wir über inhaltliche Zwischenergebnisse noch nicht berichten, aber selbstverständlich gibt es noch einige Knackpunkte, die wir durch harte, aber konstruktive Diskussion noch beiseiteschieben müssen", erzählte der Chef der Wiener Pinken. Er sehe "schon Gespräche auf Augenhöhe", befand er. Dies sei auch wichtig für eine gemeinsame Partnerschaft. Die NEOS halten nach der Wien-Wahl bei acht Mandaten, die SPÖ bei 46.

"Es ist eine gute Gesprächsebene da, auch ein gutes Vertrauensverhältnis mit dem Bürgermeister selber." Die Knackpunkte seien inhaltlicher Natur, "weil wir zwei unterschiedliche Parteien sind mit unterschiedlichen Schwerpunkten". Hier nannte Wiederkehr etwa den Bereich Bildung - ein erklärtes Wunschressort der pinken Stadtpartei. Es brauche jedenfalls mehr Mittel für die Schulen, hielt der NEOS-Obmann fest. Nötig sei eine Förderung für jedes einzelne Kind, was bei der Elementarpädagogik im Kindergarten beginnen müsse. Vieles im Bereich Bildung könne zwar nur der Bund entscheiden, aber im Bereich der Kindergärten und Pflichtschulen habe auch das Land Kompetenz, gab der NEOS-Chef zu bedenken.

Kritik übte er an der Trennung nach der Volksschule, die zu größeren Problemen führe, wie er befand. Dies habe zur Folge, dass es in Wien Pflichtschulen gebe, "die nicht das leisten können, was sie leisten müssten" und die zu "Restschulen" verkommen seien. Sie zu stärken, dafür brauche es nun einen besonderen Fokus. "Mein Ansatz ist, die Pflichtschulen zu verbessern und aufzuwerten, damit Eltern sicher sein können, dass die Schule ums Eck eine gute Schule ist."

Den Begriff "Gesamtschule" verwendet Wiederkehr nicht. Die ideologische Diskussion darüber habe Österreich in einen Irrweg gebracht, zeigte er sich überzeugt: "Ich bin für eine gemeinsame Schule mit Vielfalt." Es gehe auch darum, Schulautonomie zu stärken. So sollten die Volksschulen auch wieder selbst entscheiden, ob man Noten vergebe oder ob eine alternative Beurteilungsmöglichkeit angewendet werde. Als "Misserfolg" bezeichnete er auch die Deutschklassen, die von der türkis-blauen Bundesregierung eingeführt worden seien. Dies habe dazu geführt, dass Ressourcen für Sprachförderung sogar abgebaut worden seien. Auch hier sollte der Schulstandort selber entscheiden dürfen, forderte er. Kritik an derartigen Maßnahme war auch von der SPÖ immer wieder gekommen, was die laufenden Gespräche erleichtern dürfte.

Anderes ist deutlich brisanter. Die Halbierung der Parteienförderung gehört etwa noch immer zum Forderungskatalog der NEOS, wie der Wiener Parteichef betonte. "Wir haben diesen Punkt natürlich auch in die Koalitionsverhandlungen eingebracht. Dass die Sozialdemokratie hier eine andere Vorstellung hat, ist naturgegeben und auch nicht sehr überraschend." Hier und in anderen Bereichen werde es eben Kompromisse geben müssen. Mit welcher Kürzung der Parteienförderung er einverstanden wäre, verriet er nicht.

Wiederkehr hatte zuletzt auch das von der SPÖ veranstaltete Donauinselfest ins Visier genommen - und urgiert, dass künftig die Stadt das Großevent durchführen solle. Zu beharren scheint er auf dieser Forderung nicht. Dies sei "einer von vielen Wegen", sagte er heute. Natürlich habe das Donauinselfest eine große Geschichte der Sozialdemokratie: "Was wichtig ist, es muss transparent abgewickelt sein." Der Stadtrechnungshof müsse alle Parteifeste prüfen dürfen. Ein pinkes Parteifest mit öffentlichen Subventionen werde es aber im Fall eines Regierungseintritts nicht geben, beteuerte er: "Das kann ich ausschließen."

Auch ein Gehalts-Check für Mieter im Gemeindebau gehört zum pinken Forderungsrepertoire. Ein solcher ist für die SPÖ bisher ein rotes Tuch gewesen. Man wolle nicht, dass von jeder Gehaltserhöhung eines Mieters sogleich ein Teil wieder abzugeben sei, heißt es dort. Wiederkehr stellte klar, dass man von der Forderung nicht abrücke, allerdings hier eine bundesgesetzliche Regelung nötig wäre. "In Wien können wir das gar nicht einführen."

Dass der Bereich Verkehr bei Verhandlungen mit dem bisherigen Koalitionspartner - den Grünen - einen wichtigen Stellenwert erhalten hätte, davon ist auszugehen. Wiederkehr versicherte im Gespräch mit der APA, dass man das Thema ebenfalls sehr ernst nehme: "Eine Verkehrsberuhigung in Wien ist natürlich wichtig." Im ersten Bezirk, wo bereits eine weitgehende Verbannung des motorisierten Individualverkehrs angedacht war, gebe es nun die Chance eines Neustarts. Auch der Ausbau der Radinfrastruktur, die Schaffung von mehr Platz für Fußgänger und die Sicherheit von Schulwegen hätten einen hohen Stellenwert in den Verhandlungen, schwor Wiederkehr.

Der NEOS-Chef geht zudem davon aus, dass die neue Legislaturperiode ganz im Zeichen der Bekämpfung der Coronakrise stehen wird. Die aktuell verschärften Regelungen seien angesichts der Infektionszahlen wohl nötig, auch weil der Sommer bei der Pandemiebekämpfung "verschlafen" worden sei, wie er befand. Den Großteil der aktuellen Maßnahmen trage man mit. Lediglich die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen sind "nicht zweckmäßig und nicht verhältnismäßig", beklagte er.

Die Stadt müsse sich um die steigende Arbeitslosigkeit kümmern und auch für Branchen wie Gastronomie, Veranstalter oder Hotellerie treffsichere Hilfeleistungen ergänzend zum Bund anbieten. Ob es wieder Gastro-Gutscheine geben solle? Die Bon-Verteilaktion war von den NEOS scharf kritisiert worden. Er bevorzuge direkte Formen der Unterstützung, sagte der NEOS-Chef: "Über die Frage der Modalität unterhalten wir uns in den Koalitionsverhandlungen."

Klar spricht er sich dafür aus, dass die Geschäfte auch an Sonntagen aufsperren dürfen: "Ja, ich bin für eine Sonntagsöffnung, immer schon gewesen". Eine solche solle bundesweit umgesetzt werden. In Wien gäbe es allerdings die Möglichkeit, dies über eine Tourismuszone zu regeln. Die SPÖ hat stets betont, hier gesprächsbereit zu sein, falls sich die Sozialpartner einigen würden. "Ich finde es wichtig, auch in solchen Fragen die Sozialpartner mit an Bord zu holen. Hier sehe ich leider kein großes Interesse, eine Sonntagsöffnung einzuführen. Weder von den Sozialpartnern, noch von der Sozialdemokratie. Meine Haltung ist klar, eine Sonntagsöffnung wäre gut für Wien", sagte Wiederkehr.

Apropos Sozialpartner: Die NEOS fordern ein Aus für die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer. Wiederkehr macht hier keine Ausnahme: "Unsere prinzipielle Auffassung ist, freiwillige Mitgliedschaften zu ermöglichen. Dies würde auch die Institutionen stärken." Dass dies ein Stolperstein am Weg zu Rot-Pink werden könnte, glaubt er nicht: "Das ist kein Wiener Thema." Zumindest in den Parteigremien der Stadt-Roten war es dies sehr wohl. Die Sozialistische Jugend hatte beklagt, dass die NEOS gegen die Arbeiterkammer wettern würden und gegen die Aufnahme von Koalitionsgespräche gestimmt.

Ob Wiederkehr, falls die Gespräche mit einer Einigung enden, Vizebürgermeister wird? "Das ist noch nicht besprochen worden. Ich habe gehört, dass der Bürgermeister es sich vorstellen kann, es wurde bisher in Wien auch so gehandhabt. Wir sind aber noch mitten in den Verhandlungen, wir haben noch einen weiten Weg bis zum Ziel." Erst am Ende werde auch über die politischen Positionen und Funktionen geredet.

Beide Parteien haben wiederholt versichert, dass die Verhandlungen bis Mitte November abgeschlossen werden sollen. Die neue Stadtregierung soll jedenfalls bis zur konstituierenden Sitzung, die für den 24. November angesetzt ist, stehen.

Kommentare