Neue Kunst-Haus-Chefin: "Wir dürfen keine Zeit verlieren"
APA: Sie sind im April zur neuen Direktorin des Kunst Hauses berufen worden. Was hat Sie zum Wechsel vom Marketing in den Kulturbereich bewogen?
Gerlinde Riedl: Ich war immer schon ein leidenschaftlicher Kulturmensch und habe mich zeit meines Lebens mit Kultur beschäftigt - sei es als Sängerin, als Journalistin, als Pressesprecherin im Büro des Kulturstadtrates, aber auch an der Spitze des Stadt Wien Marketings. Dort habe ich in der Pandemiezeit für die Stadt den Kultursommer organisiert und gezeigt, dass ich in kürzester Zeit ein Megaprojekt auf den Boden bringen kann. Als sich die Gelegenheit im Kunst Haus geboten hat, habe ich sie beim Schopf gepackt.
APA: War die Leitung eines Museums immer schon Teil Ihrer Lebensplanung?
Riedl: Lebensplanung funktioniert nur in den seltensten Fällen. Aber es war ein Mosaikstein, der in meinem großen Bild noch gefehlt hat. In der Geschäftsführung eines Museums geht es schließlich nicht nur um die kuratorische Bespielung, sondern auch um viele andere Dinge. Nicht zuletzt ist ein Museum auch ein Wirtschaftsbetrieb, der gut gemanaget werden muss - und diese Erfahrung kann ich einbringen. Ein Museum braucht weiters eine starke Öffentlichkeitsarbeit, und ich bin eine leidenschaftliche Kommunikatorin. Und schließlich braucht ein Museum auch eine erstklassige Vermarktung - denn eine Ausstellung kann noch so gut sein, wenn niemand davon weiß, wird sie niemand besuchen.
APA: Ihre Rolle als Museumschefin sehen Sie mithin nicht als die einer Chefkuratorin?
Riedl: Ich sehe meine Aufgabe als die einer Ermöglicherin, die Türen für Ideen, für Künstlerinnen und Künstler und nicht zuletzt für das Publikum öffnet. Ich sehe mich aber auch als Managerin, die sich mit ganzer Kraft und hohem Gestaltungswillen für das Kunst Haus einsetzt und hartnäckig ist, wenn es darum geht, Dinge auf den Boden zu bringen.
APA: Mit Ihrer Berufung wurde auch eine Neuausrichtung des Kunst Hauses in Richtung Klimamuseum verkündet, was nach den Jahren unter Ihrer Vorgängerin Bettina Leidl und deren Fotoschwerpunkt im Haus in der Presse für einige Kritik gesorgt hat. War diese Neujustierung notwendig?
Riedl: Die Kulturlandschaft und ihre Institutionen verändern sich. Das ist zur Vermeidung von Stillstand per se gut, auch wenn Veränderungen natürlich immer mit Unsicherheit verbunden sind. Kulturelle Institutionen müssen mit Schwerpunktsetzungen auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren. Im Konkreten ist die Neuorientierung des Kunst Hauses auch das Resultat einer kulturpolitischen Entscheidung. Es gab bereits seit Jahren die Idee, einen eigenen Fotostandort zu etablieren, was nun mit dem Foto Arsenal Wien ab 2024 erfreulicherweise Realität wird. So bekommt die Fotokunst endlich den Stellenwert, der ihr gebührt. Für das Kunst Haus bedeutet das im Gegenzug, dass wir uns künftig vollumfassend auf den Schwerpunkt Kunst und Ökologie konzentrieren werden - übrigens ganz im Sinne des Museumsgründers Friedensreich Hundertwasser.
APA: Was kann das konkret bedeuten?
Riedl: Von den in diesem Jahrzehnt erfolgenden Weichenstellungen hängt die Qualität menschlicher Zivilisation auf unserem Planeten in alle Zukunft ab. Wir brauchen daher alle Hebel, um die Klimakrise zu bewältigen. Die Kunst kann hier wichtige Vermittlungsarbeit leisten. Sie hat die Kraft, Menschen emotional zu berühren - aber nicht, indem man weiterhin die Angst vor der Klimakatastrophe schürt. Sondern indem man motiviert und die Chancen aufzeigt. Erfahrene Kuratorinnen und Kuratoren werden im Kunst Haus Ausstellungen an der Schnittstelle dieser Thematiken erarbeiten, wobei auch die Fotografie ihren Platz finden kann. Sie wird nicht aus dem Kunst Haus verbannt.
APA: War diese Neuorientierung des Hauses Teil Ihrer Bewerbung oder eine politische Vorgabe?
Riedl: Das war Teil meines Bewerbungskonzeptes. Denn die Ausrichtung auf Ökologie ist nicht nur naheliegend in Bezug auf unseren Gründer Friedensreich Hundertwasser, sondern auch essenziell für unsere Gesellschaft. Manchmal spürt man beim Gegenüber schon eine gewisse Langeweile, wenn man den Klimawandel anspricht. Aber denen sei entgegnet: Möge es gelingen, dass sich noch viel mehr Menschen mit dem Thema beschäftigen! Denn sonst brauchen wir irgendwann überhaupt nicht mehr über Kunst und den Planeten nachdenken. Ich bin überzeugt davon, dass die Situation ernst ist und wir keine Zeit verlieren dürfen.
APA: Haben Sie als Direktorin keine Bedenken, dass Sie mit diesem Fokus die touristische Klientel, die Hundertwasser im Haus sucht, verschrecken?
Riedl: Touristen sind nicht per se Menschen, die sich für wichtige Themen der Gegenwart nicht interessieren. Außerdem werden wir Friedensreich Hundertwasser im Kunst Haus ja neu entdecken! Seine Ideen zur Begrünung der Städte, zur Kreislaufwirtschaft und einer abfalllosen Gesellschaft sind heute aktueller denn je!
APA: Gehört hierzu auch die Neuaufsetzung der Dauerausstellung? Schließlich haben das Kunst Haus und die hierbei ein gewichtiges Wörtchen mitredende Hundertwasser-Stiftung ein legendär komplexes Verhältnis...
Riedl: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne - und den wollen wir nützen, um gemeinsam mit der Stiftung und einem erfahrenen Kurator die Dauerausstellung zu modernisieren. Beide Seiten sind sich einig, dass der Zahn der Zeit an der Ausstellung genagt hat. Von der Ausstellungsarchitektur über die Beleuchtung bis hin zur Vermittlung - in Zukunft soll das Vermächtnis des Künstlers und Klimaphilosophen Hundertwasser in seiner ganzen Aktualität erlebbar sein. Denn es ist hoch an der Zeit, dass wir uns von seinen Ideen eines Lebens im Einklang mit der Natur inspirieren lassen.
APA: Zu diesem Fokus gehört auch die neue Klima Biennale, die 2024 das erste Mal stattfinden soll. Was kann man sich hierunter vorstellen?
Riedl: Die Wiener Klima Biennale setzt auf den Ideen von Christoph Thun-Hohenstein, dem ehemaligen Direktor des MAK, und seiner Vienna Biennale for Change auf. Gemeinsam haben wir das Konzept in den vergangenen Monaten weiterentwickelt. Die Sparten Design, Architektur und bildende Kunst sollen sich dabei mit dem breiten Themenkomplex des Klimawandels und seinen Folgen auseinandersetzen.
APA: Geführt wird die Biennale aber nicht von Thun-Hohenstein...
Riedl: Ich hoffe, dass er mit seiner Expertise weiter zur Verfügung steht, aber nachdem Christoph Thun-Hohenstein als neuer Leiter der Sektion für Internationale Kulturangelegenheiten eine neue wichtige Aufgabe übernommen hat, werden wir die Leitungsposition am Samstag (1. Oktober, Anm.) ausschreiben.
APA: Welche Persönlichkeit suchen Sie, und bis wann soll eine Entscheidung fallen?
Riedl: Wir wollen die Biennale-Leitung in jedem Fall noch heuer bestellen, damit sie spätestens ab 1. Jänner 2023 mit dem Vorbereitungsprozess starten kann. Schließlich soll die erste Biennale von April bis Juli 2024 über die Bühne gehen. Dafür suchen wir eine Persönlichkeit, die sowohl in Design, Architektur und bildender Kunst als auch in den Bereichen Ökologie und Klimaschutz bewandert ist und zusätzlich eine ausgewiesene kuratorische und organisatorische Expertise vorweisen kann.
APA: Und die Biennale wird ausschließlich im Kunst Haus stattfinden?
Riedl: Wir fungieren als Veranstalter und Festivalzentrum. Aber die 800 Quadratmeter Ausstellungsfläche abseits der Dauerausstellung werden wohl nicht ausreichen, um jene Breitenwirksamkeit zu erlangen, die sich die Wiener Klima Biennale vorgenommen hat. Es gibt jedoch genügend spannende Orte in Wien, die für eine temporäre Nutzung infrage kommen. Die Biennale soll eine Plattform sein, um das Klimathema auf breiter Basis zu kommunizieren und künstlerische Exzellenz mit wissenschaftlicher Seriosität zu verbinden. Es sollen aber auch visionäre, von der Kunst inspirierte Zukunftsmodelle und Lösungen anhand konkreter Fragestellungen entwickelt werden.
APA: Geht sich angesichts dieser Pläne die schon länger ventilierte Sanierung des Hauses aus?
Riedl: Zu den Projekten, die ich bereits in den ersten drei Monaten meiner Direktion auf Schiene bringen konnte, gehörte auch die seit vielen Jahren dringend nötige Sanierung der Gebäudetechnik. Wir sind guter Dinge, dass wir nächstes Jahr im Sommer mit dem Umbau beginnen können.
APA: Wird dieser Umbau bei laufendem Betrieb stattfinden oder muss das Kunst Haus schließen?
Riedl: Das wird gerade geklärt. Aber vermutlich kann es nicht bei laufendem Betrieb geschehen - zumal dann, wenn wir auch die Dauerausstellung neugestalten. Wir rechnen mit einem halben Jahr Umbauzeit, in der wir etwa die Klima-, die Befeuchtungs- und die Belüftungstechnik auf den Stand der Zeit bringen wollen. Das ist nicht nur essenziell für den Ausstellungsbetrieb, es bringt auch enorme Einsparungen beim Energieverbrauch. Und natürlich ist für uns als grünes Museum auch die Energiequelle von großer Bedeutung. Hier ist Geothermie eine mögliche Variante. Darüber hinaus wird es zahlreiche kleinere und größere Adaptierungen geben, hat das Haus doch mittlerweile 30 Jahre auf dem Rücken.
APA: Von welchem Finanzvolumen sprechen wir?
Riedl: Das lässt sich derzeit noch nicht genau beziffern, denn die Eigentumsverhältnisse beim Kunst Haus sind komplex. Das Haus gehört ja nicht der Stadt, sondern einem privaten Immobilieninvestor, mit dem wir aber in sehr guten Gesprächen sind.
APA: Eine strukturelle Frage zum Abschluss: Sie haben sowohl Erfahrungen im Kulturressort als auch im Finanzressort, bei dem die Wien Holding und damit auch das Kunst Haus angesiedelt ist. Wohin gehört das Kunst Haus in Ihren Augen?
Riedl: Das Kunst Haus gehört der Kunst und ihrem Publikum.
(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)
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